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Jahre und Sterne draußen auf dem Meer

SCHAUSPIELHAUS / DER JUNGE MIT DEM KOFFER

07/10/16 Schon wieder Flüchtlingstheater mit hohem Betroffenheitsfaktor so wohlmeinender, wie literarisch unbedarfter Stücke-Schreiber(linge)? Weit, weit gefehlt! „Der Junge mit dem Koffer“, das neue Jugendstück im Schauspielhaus, ist alles was man sich von Theater nur wünschen kann: aktuell, märchenhaft poetisch – aufregend und bewegend. Premiere war heute Freitag (7.10.) vormittags.

Von Heidemarie Klabacher

Die Reaktionen eines jugendlichen Publikums bei einer „Schulveranstaltung“ einzuschätzen, fällt Nicht-Lehrern naturgemäß schwer. Die jungen Leute wirkten bei der Premiere im Schauspielhaus jedenfalls aufmerksam und konzentriert. Lachten wohl da und dort, wo ein Erwachsener nicht lacht, machten aber selber kräftig „psssst“ um nur ja den nächsten Satz nicht zu verpassen. Auch äußerte man lauthals erstaunte Zustimmung, als die resolute Frau - Ute Hamm, in einer von mehreren Rollen - virtuos den Perversen zusammenschlug, der den beiden „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ auf die Pelle rückte. Da war man ganz auf der Seite der jungen Leute.

Der Schlussapplaus kurz aber zustimmend. Selber hätte man durchaus noch die eine oder andere Verbeugungsrunde „erklatscht“... Wie interessant wäre es, etwa via altmodischer „Wanze“, zu hören, was die jungen Leute auf dem Heimweg untereinander über solch eine schulveranstaltete Bildungsexkursion ins Theater reden, ohne Theater- oder sonstige -pädagogen, und ob sie eine solche überhaupt der weitern Rede wert finden...

Der erwachsene Rezensent jedenfalls ist beeindruckt, ja bewegt, von der Produktion „Der Junge mit dem Koffer“. Das Stück ist wie „Sindbad, der Seefahrer“ aus den „Märchen aus 1001 Nacht“ in sieben Reisen aufgebaut, Die junge Hauptfigur, der Bursche Naz, nimmt noch die heikelsten Situationen zum Anlass, selber eine Geschichte zu erzählen. Diesem Stück fehlt völlig alle Wehleidigkeit oder aufgesetztes Mitleid, was der Empathie Tor und Tür öffnet. Flott und dennoch ganz dem Erzähltempo geschuldet ist die Regie von Christoph Batscheider, der im Bühnenbild von Vincent Mesnaritsch – eine raffinierten Stiegen-Konstruktion, die über Gebirge, durch Wüsten und über Meere führt – vom Schicksal des jungen Naz und seiner Weggefährtin Krysia erzählt.

Jonas Breitstadt gibt den verträumten und doch so lebensklugen Burschen Naz. Magdalena Oett ist die so selbstbewusste wie tatsächlich verletzliche Krysia. Moritz Grabbe und Ute Hamm sind die Eltern von Naz, tauchen aber, wie Lukas Bischof und Nico Raschner in weiteren kleinen Rollen auf: Schlepper, Ausbeuterin, arm gebliebener Bruder oder reich gewordener Onkel. Ein einfaches Lied „Tag für Tag… so viele Jahre und Sterne ist es schon her, seit wir draußen sind auf dem Meer“ ist, neben dem Sindbad-Motiv, eine weitere leitmotivische Klammer.

Nicht umsonst zählt der Brite Mike Kenny zu den erfolgreichsten Theaterautoren für Kinder und Jugendliche weltweit. Er gewann zahlreiche Dramatikerpreise in Großbritannien und Kanada, und erhielt (für das Stück „Stepping Stones“) in seiner Heimat als erster Dramatiker den angesehenen „Writers' Guild Award. Kenny hat inzwischen mehr als fünfzig Stücke geschrieben, die in England zum festen Bestandteil der Theaterspielpläne gehören. Auf deutschsprachigen Bühnen wurden sein „Der Junge mit dem Koffer“, „Der Gärtner“, vor ganz besonders „Die Seiltänzerin“ bekannt. Sein Stück „Nachtgeknister“ ist als Auftragswerk für die Comédie de Valance in Frankreich entstanden, das 2008 als Best Play for Children and Young People mit besagtem „Writers' Guild Award“ und 2012 mit dem Deutschen Kindertheaterpreis ausgezeichnet wurde.

Der Junge mit dem Koffer – Aufführungen im Schauspielhaus bis 24. Oktober - www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus/Jan Friese

 

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