Kafkas Affentheater
KAMMERSPIELE / BERICHT FÜR EINE AKADEMIE
29/09/16 Der Affe gibt jetzt in den Kammerspielen Zucker, durchwandert pointiert die Grenzen der Menschlichkeit. Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“ hatte Mitte Mai in Seekirchen Premiere, nun lässt der Affe in den Kammerspielen hören, wie man mit unsereinem umgeht.
Von Teresa Sulamith Bauer
Menschenaffen sind, das bestätigen schon die ersten zwei Silben des Wortes, verwandt mit Menschen. Menschenaffen haben sogar ein zu 97 Prozent identisches Genom wie die menschliche Spezies. Dass wir Menschen dieses Faktum in unserem Denken oft umgehen und uns „nicht zum Affen machen“ wollen, hat Kafka in seiner Satire „Ein Bericht für eine Akademie“ bissig aufs Korn genommen. Carl Philip von Maldeghem inszenierte Kafkas Satire schlicht und aussagekräftig als Ein-Mann-Stück mit dem grandios wendigen und wandelbaren Georg Clementi.
Menschen sitzen in einer Akademie und begaffen einen Affen, der Rotpeter heißt und seine Menschwerdung in einer leidenschaftlichen Rede erläutert. Er beschreibt den Ausweg aus seiner Gefangenschaft auf einem Schiff, indem er in die Menschlichkeit flüchtete. Die Show, welche zum „Menschsein“ gehört, versteht Rotpeter schnell anzunehmen: „Ach, man lernt, wenn man muss.“ Wenn man Rotpeter als Farce verstehen will, muss man auch den Menschen als solche begreifen, denn er äfft uns nach, er überzeichnet nur wenig, sondern lässt die schauerliche Menschlichkeit in seiner Darstellung aufblitzen. Kafka entblößt uns mit der Einsicht, Mensch zu sein und beschenkt uns mit der Erkenntnis, dass Menschen so affig sind, wie sie versuchen menschlich zu sein.
Die Aussage des schon an sich starken und gehaltvollen Textes wird durch die expressive Spielweise von Georg Clementi verstärkt. Man kam nicht umhin, die Wandelbarkeit und Körperbeherrschtheit dieses Mannes sowohl als Affe, als auch als Angehöriger der „Herrenrasse Mensch“ zu bewundern. Die Inszenierung spielt nicht nur mit der gekonnt eingesetzten Projektion auf eine Leinwand, sondern auch auf die menschlichen Gewohnheiten, gibt somit dem Affen Zucker – und Stoff zum Nachdenken auf dem Heimweg.