Fresssüchtige Revolution
SCHAUSPIELHAUS SALZBURG / DANTONS TOD
19/09/16 Anfangs wird laut geschrien, Fahnen werden geschwenkt, und die Leute rennen durcheinander, damit ja keiner zweifelt: Hier wird gerade Revolution gemacht. Ein sperriges Drama. Es wird im Salzburger Schauspielhaus in einer eigenen, nicht unproblematischen Fassung gespielt.
Von Werner Thuswaldner
Sehr viel Geschichtskenntnis wird vorausgesetzt. Das mag der Hauptgrund dafür gewesen sein, warum Büchners Werk lang für unspielbar gegolten hat. Wie viele Theater, so stellte auch das Salzburger Schauspielhaus seine eigene Fassung her, mit dem Ziel, manchen, die womöglich mit den Details der Französischen Revolution nicht besonders gut vertraut sind, entgegenzukommen.
Regisseurin Maya Fanke ist sichtlich bemüht, zumindest wichtige Motive des komplexen Stoffs zu vermitteln. Die rigorose Verknappung führt allerdings zwangsläufig zu einer Vergröberung. Vincent Mesnaritsch hat ein Einheitsbühnenbild geschaffen, das verschiedene Podien mit einem System aus Treppen verbindet. Maya Fanke sorgt für Bewegung im Übermaß, und so eine Revolution ist mit viel Lärm verbunden. Wie unter großem Zeitdruck stehend, eilen die Mitglieder des Ensembles über die Treppen, nicht unbedingt, um irgendwohin zu gelangen, sondern um der Bewegung willen.
Die Kostüme (Elke Gattinger) sorgen für Klarheit, wer zu welcher der beiden Konfliktparteien gehört. Die Anhänger Dantons tragen rote Bauchbinden, die Gefolgschaft Robespierres hat weiße Rüschenhemden an.
In dieser Phase der Revolution beschließt Danton als einer ihrer Anführer, nicht länger den Bluthund spielen zu wollen. Robespierre dagegen, der sich als Tugendwächter aufbläht, möchte weiter die Köpfe rollen sehen. Danton hat sich aber nicht etwa zum Humanisten gewandelt, sondern möchte ganz einfach das schöne Leben genießen. Martin Brunnemann spielt ihn als einen einerseits zornigen, andrerseits antriebslosen, verweichlichten, jedenfalls ganz und gar ungefährlichen jungen Mann. Dass er ein markanter politischer Kopf sein soll, wird nicht klar. Hat er ein politisches Konzept? Darum ist es nicht zu verstehen, warum er Gefolgsleute hat, die leidenschaftlich an ihn glauben. Es heißt, er sei ein Genussmensch. Das ist daran zu erkennen, dass er sich zuweilen der Hose entledigt und immer wieder einmal sein Gesicht gegen einen weiblichen Bauch presst. Genauso unverständlich ist es, warum ihn Robespierre für extrem gefährlich hält und glaubt, ihn umbringen zu müssen. Melancholisch fügt er sich schließlich in sein Ende unter dem Fallbeil.
Olaf Salzer als Robespierre wirkt wie eine papierene Figur. Das soll der gefürchtete Mann sein, der massenweise für Hinrichtungen sorgte? Er gibt dürre Sätze von sich und geht, wenn er gerade nichts sagt, schnellen Schritts hin und her. Dass er kurz zuvor in einer Geschichte von Wilhelm Busch mitgewirkt hat, ist vorstellbar.
Gut charakterisiert sind die Parteigänger sowohl Dantons (Frederic Saltow, Marcus Marotte) als auch Robespierres (Matthias Hinz, Magnus Pflüger, Moritz Grabbe). Die Träger der einzelnen Rollen müssen zwischendurch auch den leicht manipulierbaren Pöbel spielen und setzen sich zu dem Zweck einfache Masken auf.
Immerhin gestaltet die Regisseurin in dieser Hektik zur Erholung des Publikums auch ruhigere Phasen. Eine Prostituierte (Susanne Wende) spricht anfangs und während des Stücks einen lyrischen Text, der pointiert den krassen Gegensatz zwischen den Superreichen und den Armen thematisiert. Gelegentlich wird auch gesungen.
Dantons Frau (Kristina Kahlert) erscheint als liebenswürdiges, depressives Weibchen. Camille Desmoulins (Alexandra Sagurna), die bei Büchner ihren Mann bewundert, im Übrigen aber unbedarft ist, wird von der Regisseurin zu einer Kämpferin gegen Robespierre gemacht. Sie wird nicht, wie von Büchner vorgesehen, am Ende wahnsinnig, sondern stirbt unter dem Fallbeil.
Seltsamer Abend im Schauspielhaus. Büchners kopflastiges Deklamationstheater kommt gnadenlos über die Rampe.