Selber filmen oder „performen“ im Kopf
PERFORMING NEW EUROPE / IVANA MÜLLER / EDGES
21/01/16 Zu Beginn wurde eine kräftige – überaus dekorative - Nebelwolke in den Bühnenraum geblasen. Diese zog bedeutungsvoll herum. Und am Ende ging es sich genau aus: Von einem Hauch Zigarettenrauch war die Rede, mit dem die Zaungäste eines Foto-Shootings sich unbemerkt und für immer auf dem Bild verewigt hatten.
Von Heidemarie Klabacher
Wenn man außerhalb des Rahmens stehe, habe man mehr Überblick und mehr Möglichkeit einzugreifen, philosophierten die zwei männlichen Stimmen auf dem Band. Eine Darstellerin und ein Darsteller posierten derweil auf einer Picknickdecke in einem Park in Athen im Jahr 2015 als professionelles Liebespaar, das sich aber privat nicht nahe zu stehen schien.
Zwei Königskinder, die aus Staatsräson heiraten müssen und dem Boulevard Komödie vorspielen? Oder doch einfach zwei Models die für einen bebilderten Beziehungsratgeber posieren?
Das könnte das Konzept von Ivana Müllers „Edges“ gewesen sein: Pantomimische Darstellungen, die im Kopf der Zuschauer Bilder auslösen (sollen). Dazu die Plaudereien vom Band, die ein wenig helfen, die inneren Bilder das Laufen zu lehren? Schon in einer anderen Episode zuvor hat das ganz gut funktioniert: Ein Model (schon wieder) oder auch ein Maler oder vielleicht auch nur der Rahmenmacher in einer Malerwerkstatt in Florenz denkt laut darüber nach, dass keines von den posierenden Modellen darüber nachdenkt, dass sie alle in fünfhundert Jahren von anderen Menschen angeschaut werden. Wird wohl die Manufaktur Michelangelo gemeint gewesen sein.
Die anderen der insgesamt sechs Szenen waren nicht so anregend, es wird aber wohl vom einzelnen Betrachter und von der einzelnen Betrachterin abhängen, zu welchen Vorgaben welche Bilder entstehen. Und ob überhaupt Bilder entstehen...
Insofern ein recht spannender – wenn auch bei aller Kürze von kaum einer Stunde – eher langatmiger Abend. Die Episoden werden mit kurz eingeblendeten Daten von Orten und Jahreszahlen markiert.
Ach ja, besonders hübsch war noch auch die Episode mit dem inneren Monolog wohl eines Museumswärters im Guggenheim nach der Einblendung „1998 Bilbao“. Auch hier war es eine Männerstimme, die davon sprach, dass er sich manchmal selber samt seinem Sessel als Teil des Raumes sehe, mit einem Kärtchen daneben, auf dem Entstehungsjahr und Material verzeichnet sind. Die performersiche Qualität der pantomimischen Darstellung erinnerte großteils, außer eben etwa in der Malerwerkstatt oder beim Fotoshooting im Park, an zufälliges Passanten-Niveau.
Aufgefordert, sich die Geschichten selber auszudenken wurde, man also am Mittwoch (20.1.) bei der Uraufführung der Produktion „Edges“ bei der Eröffnung des Festivals Performing New Europe. „Edge“ kann übrigens von Schneide, Schärfe, Klinge über Grat, Kante oder Rand alles mögliche bedeuten.