Das Er-Leben des Augenblicks aufwerten
EDITTA BRAUN COMPANY / ARGEkultur
28/02/14 „Mich interessiert die veränderte Erwartung an das Resultat der Arbeit“, sagt die Choreographien Editta Braun. Nach der fremden Welt der hoch artifiziellen Schöpfung „Planet LUVOS“, stand der zweite Abend der Veranstaltungen zum 25 Jahre-Jubliäum ihrer Company ganz im Zeichen der Improvisation.
Von Heidemarie Klabacher
„Puff yourself“, sagt die Choreographin am Regiepult und schon stürzt der Tänzer effektvoll zu Boden, schneller und lockerer als jeder Westernheld in der Hitze des High Noon. Irgendwann wurden die Pistolen-Finger der Tänzer auch aufs Publikum gerichtet – „very dangerous for all“ – und schon im nächsten Augenblick war die spielerische, dabei gar nicht nur heitere Episode auch schon wieder vorbei.
Improvisation gehört zum Handwerkszeug zu den Ausdrucksmitteln der Choreografin Editta Braun wesentlich dazu: Sie wolle im „vorausgeplanten und durchgestylten alltäglichen Leben, in der Regelungswut und Absicherungsmentalität unserer Gesellschaft einen Platz schaffen für Unvorhergesehenes, Zufälliges“. Sie wolle will mit ihrer Arbeit „das Er-Leben des Augenblicks aufwerten“.
Tatsächlich packen die Arbeiten der Tänzerin und Choreografin das Publikum auch in einer scheinbar so spielerischen Improvisation wie „instant“, die am Donnerstag (27.2.) der ARGE über die Bühne gegangen ist. Diese „Tanzimprovisation für vier Tänzer und eine Choreographin“ forderte tatsächlich vom ersten Augenblick an die gespannte und konzentrierte Aufmerksamkeit des Publikums.
„Focus auf Leon“ lautet etwa eine Anweisung von der seitlich an der Tanzfläche an einem Regietisch sitzenden Choreografin an die Performer Martyna Lorenc, Matan Levkowich, Jerca Rožnik Novak und Leon Mari?. Oder „Energie langsam zurücknehmen“. Eine „angeleitete Choreographie des Augenblicks“ nennt Editta Braun diesen Life-Dialog, der sich durchaus auch einmal auf das Publkum erstrecken kann. Werden die vier Performer von Editta Braun aufgefordert, ihre Bewegung Richtung Tisch (neben vier Stühlen und einem Hut das einzige Requisit) zu richten, verwandelt sich dieser alsbald in den Sprungturm eines Schwimmbades. Dass ein Tänzer im Trockenen landet und wie ein Bettler im Hut die Schuhe der anderen einsammelt, ist nur folgerichtig. Bewegend die Darstellung scheinbarer Hilflosigkeit durch Martyna Lorenc, der nach der Aufforderung „Helft ihr“ ein eleganter Übergang zurück zur Selbständigkeit ermöglicht wird.
Weniger deutlich spielerisch-episodisch, dabei fast noch intensiver und energiegeladener war danach die Performance „4plus1“.
Für diese zweite Produktion zum Fest des 25jährigen Bestehens ihrer Company habe sie, so Editta Braun, „eine monumentale Figur in der internationalen Tanzszene“ als Choreographen gewinnen können: David Zambrano ist ein gebürtiger Venezuelaner, der nach fünfzehn New Yorker Jahren heute in Amsterdam lebt. Er arbeitet und unterrichtet seit über zwanzig Jahren auf allen Kontinenten. Die Arbeit mit Zambrano sei für sie ein „Geschenk an die Company“: „Die dabei erworbenen Fähigkeiten und neuen Erfahrungen werden, da ist sie sich sicher, auch in künftigen Projekten weiter wirken.“
Faszinierend, welche Energie und Konzentration noch in der kleinsten Bewegung steckt. Man meint regelrecht zu spüren, wie diese Kraft in der Körpermitte entsteht und bis in die Finger- und Zehenspitzen ausstrahlt. Die Performer in dieser Improvisation waren Dante Murillo, Manel Salas, Samuel Kirschner Martyna Lorenc und Matan Levkowich. Besonders faszinierend wird die Wirkung dieser von David Zambrano in den Tänzern freigesetzten hochkonzentrierten Energie in Pas de Deux-artigen Konstellationen: Hier scheinen die Tänzerinnen und Tänzer mit der Anziehungskraft von Miniaturplaneten den jeweils anderen in ihren Bannkreis zu ziehen… Zusammen mit der Musik von Thierry Zaboitzeff ein spannendes Gesamtprodukt: Tanz pur.