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Ein Fehltritt? Da sei die Amme vor!

LANDESTHEATER/ EUGEN ONEGIN

10/02/14 Es widersteht sich entschieden leichter, wenn man nicht allein ist mit einem Adonis wie Eugen Onegin alias Simon Schnorr. Er und Zhala Ismailova (Tatjana) sind die einprägsamen Protagonisten in der Neuinszenierung von Tschaikowskys Oper im Landestheater.

Von Reinhard Kriechbaum

03826 Jahre alt ist er laut Libretto, und doch ein gebrochener Mann. Mit dem Landbreverl Tatjana hat er geflirtet, sie aber dann, nachdem sie erwartungsgemäß lichterloh in Liebe entflammt war, hochmütig abblitzen lassen. Und er hat gleich noch, aus Jux und Tollerei, mit ihrer Schwester Olga kokettiert, was deren Verlobten Lenski in Rage brachte. Satisfaktion mit Todesfolge für den Unschuldigen. Ein charmanter Tunichtgut, wie er im Opernbüchl steht.

Den Reuigen, der jetzt seinerseits um Tatjanas Gunst winselt, lässt die Sitzengelassene (unterdessen verheiratet) abblitzen. Da hat Regisseur André Heller-Lopez eine gute Idee gehabt und zum hochdramatischen Disput die 041unterdessen uralte Amme Filipjewna als Dritte dazugesetzt: Tatjanas kurzer Monolog ist an sie als mentale Unterstützerin gerichtet. Im Grande Finale, in dem Tatjana den Werbungen des bekehrten Frust-Lovers so energisch widerstehen wird, folgt die Amme mit zufriedenem Lächeln dem für Onegin wenig erfreulichen Gang der Dinge.

Die Neuproduktion im Salzburger Landestheater verdient es, das man bei der Musik und nicht im Szenischen ansetzt: Wie doch das Haus gleichsam zum Klingen kommt! Leo Hussain bringt mit dem hoch ambitionierten Mozarteumorchester die vielen Tänze, vom Volkstümlichen bis zu den stilisierten Tänzen der besseren Gesellschaft, pointiert und doch nicht selten mit hochpoetischem Einschlag rüber. Und die vielen melancholisch eingetrübten Lyrismen, die Moll-Nebel lässt er die Streicher im Bedarfsfall voluminös auskosten, ohne den Sängern quasi die „Wohnzimmer-Qualität“ zu nehmen. Sie müssen nicht aufdrehen an diesem Abend.

039Genaue musikalische Charakterzeichnungen: Zhala Ismailova als Tatjana schafft es, Unschuld und Reife zugleich zu suggerieren. Sie wirkt schutzbedürftig, auch wenn sie der Emotion freien Lauf lässt, und sie scheint innerlich zu glühen, auch wenn sie sich wie zum Selbstschutz wieder einmal in den Seiten ihrer Bücher vergräbt. An einem solchen Kern im Frauenensemble finden die Stichwortbringer (Emily Righter als kokette Olga, Frances Pappas als Mutter Larina) die rechten Angelpunkte. Anna Maria Dur als Amme Filipjewna ist eine in jeder Hinsicht persönlichkeitsstarke Dialogpartnerin.

Auffallend gut und auf perfektes Gleichgewicht hin  gearbeitet sind die vielen Ensembles. Die sprachliche Fassung – ein elegantes, geschmeidiges Russisch – ist vorbildlich. Eine Muttersprachlerin (Uliana Maximova) als Sprachcoach scheint beste Dienste geleistet zu haben. Der Chor (Stefan Müller) hat derzeit eine besonders gute Phase.

Simon Schnorr ist ein Onegin mit Klasse: Ganz schlank artikuliert er, den Bonvivant hat er in der vokalen Färbung und Geschmeidigkeit des Registerausgleichs drauf, und optisch ist er sowieso auf die Herzensbrecher abonniert. Kein Zuviel, keine Manierismen. Da trifft er sich wieder mit dem Tenor Sergey Romanovsky, der gerade deshalb punkten kann, weil der Orchesterklang durchdringbar bleibt für die Sänger und er seinen Schmelz mühelos bis in exponierte Höhen fließen lassen kann.

040Originell, weil mit einer beweglichen und gar nicht „großen“ Stimme besetzt: Alexey Birkus als Fürst Gremin. In seiner rhetorisch gut durchgearbeiteten Arie wird deutlich, dass er eine Hasstirade auf die verlogene Gesellschaft ausspuckt, die eines Thomas Bernhard würdig wäre. Franz Supper (Monsieur Triquet) und in kleinen Rollen Roland Faust, Rudolf Pscheidl und Vesselin Hristov runden das ausgeglichene Sängerensemble ab.

Viel Aufmerksamkeit hat Regisseur André Heller-Lopez den Beziehungsfäden der Hauptprotagonisten gewidmet, wobei er ihnen dekorative Opernposen wohl nicht erst auszutreiben suchte. Es wird, wenn man so will, konservativ erzählt. Die Chorszenen erstarren im Dekorativen, und das kann man mit einigem guten Willen auch als Deutung einer gesellschaftlichen Situation sehen. Die Bewegung gefriert zur Pose, sowie die bunt herausgeputzten Landleute auch nur in Sichtweite der dekadenten Society sind – und diese selbst wirkt, im durch und durch blütenweiß-aseptischem Salon-Klima, wie eingefroren in den eigenen Verhaltensmustern. Die weißen Herren rücken in der Szene mit dem Fürsten Gremin wie eine Phalanx dem offensichtlichen Dunkelmann Eugen Onegin auf die Pelle: Seinen Platz in dieser Gesellschaft hat er hoffnungslos verspielt.

Der moderat-fomalistischen Bewegung (von Menuett und Walzer über Mazurka bis zur Polonaise) hat Choreograph Alexander Korobko plausibel zugearbeitet und dabei weder Chor noch Statisterie überfordert.

Aufführungen bis 27. Mai – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Christina Canaval

 

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