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Blau-Rot Duell der Testosteron-Protze

WINTERFEST / THE 7 FINGERS / DUEL REALITY

21/12/23 Wenn Shakespeare auch Text und Idee herleiht, finden Romeo und Julia doch nicht den Tod, sonderen ihre Erfüllung am trauten Trapez. Duel Reality heißt die fulminante Produktion der Winterfest-Stammgäste The 7 Fingers.

Von Erhard Petzel

Wenn man seinen Platz einnimmt, ist man auch schon Partei – und im Zirkuszelt im Volksgarten auf seinem Platz einem von zwei Lagern zugeteilt. Den Schnitt durch die Saalmitte wird später ein Schiedsrichter ziehen – und damit die Rayons der Montagues und Capolets einzementieren. Dem blauen oder roten Mascherl-Armband am Sitzplatz entsprechend, sieht man sich einer Partei zugeteilt, für die man solche auch ergreifen sollte (selbstredend ist Ihr Rezensent strikter Objektivität und Neutralität verpflichtet).

Bis in die Bühnenbeleuchtung dominiert dieser Farbcode, sodass das blutige Spiel zwischen zwei Familien zum artistischen Wettkampf zwischen Rot und Blau mutiert. Geschrien und gekämpft wird dem Original gemäß auf Teufel komm raus, wobei die Funkmikros nicht nur mit Shakespeare gespeist werden.

Colin Gagné trägt die Aktionen fast durchgehend mit seiner Musik bis zu Ballettszenen, namentlich des Liebespaares, das auch stimmlich duettiert in Kompanie mit anderen. Dazu diverse solistische Songs immer wieder einmal. Aber natürlich sind die Parteien um Romeo (rot) und Julia (blau) in erster Linie der Anlass für die Zirkus gemäße Akrobatik, sodass Shakespeare zwar Stichwortgeber sein darf, die Geschichte aber ihren eigenständigen Spin bekommt. Der artistischen wie inhaltlichen Dramaturgie folgend, beginnt das Geschehen als turbulenter Bodenkampf, in den zunehmend die beiden Stangen einbezogen werden, wobei diese vornehmlich dem Paar als Präsentationsfläche dienen, das durch die feindlichen Parteien geprägt ist. Die Todesrutsche wird vom Schiri vermessen, wer näher am Boden gelandet ist, gewinnt. Der aus dem Tutti unterstützte Zweikampf verlagert sich auf Ball und Kegel, wobei es bei aller Rivalität genugsam zu bemerkenswerten Kooperationen kommt. Beide wetteifern in beinharter Steigerung der Herausforderungen.

Augenmasken zur Chorus Line assoziieren den Ball, aus dem sich ein großes Reifen-Solo einer blauen Disco-Queen (wohl die freundschaftliche Amme?) herausschält. Die goldenen Geräte schwirren als Regenbogen schillernd im Disco-Effekt-Gewirbel. Die Gesellschaft lässt sich mitreißen und springt als Zirkustiere durch. Immer weitere Reifen umrunden und schwirren um die tüchtige Dame bis zum behäbigen Ende durch die schiere Masse. Es folgt eine höchst beeindruckende und tänzerische Diabolo-Show des ehemaligen Schiris mit virtuosen Figuren bis zu drei Körpern gleichzeitig. Als stimmiger Abschluss gibt es zum Leucht-Diabolo eine veritable Gruppen-Orgie. Ketten symbolisieren die Empörung der Gruppen gegen das Fremdgehen durch das Liebespaar. Wiederum zeigt die Amme vor, wie lyrisch schwingende Ketten als Bühnenbild und Basis für artistische Körperarbeit wirksam werden können.

Das große Duell der gegnerischen Testosteron-Protze steht an. Es wird auf der Wippe ausgetragen. Hoch fliegendes Imponiergehabe, Finten und Volten führen über Doppelsalti und waghalsige Schrauben-Konstellationen zu wortwörtlich im letzten Moment abgewendeten halsbrecherischen Landungen und Platzwechseln. Am Ende steht ein rotes Foul: Der Platz am Brett wird verlassen, der Gegner landet leer im Absturz. Haben Romeo und Julia bisher ihre lyrischen Einlagen, nimmt Julia nun die Sache aller in die Hand.

So geht es nicht. Die farbigen Trikots werden auf ihr Betreiben ausgezogen, über bleibt das schwarze Innenleben, das alle gleich macht und die große Verbrüderung auslöst. Auch das Publikum soll der Aufforderung nachkommen und seine Farbbänder nach vorne auf die Bühne werfen. Notabene folgt man, dabei hätte ich es gerne behalten.

Romeo empfängt seine Julia auf dem Reck. Kaum zu glauben, was das für ein lauschiger Platz zum innigen Stelldichein sein kann. Da wird gekost und gesungen. Wer diesen glückseligen Romeo zu Gesicht bekommen hat, möchte Shakespeare zurufen: Warum nicht gleich so! Aus einem groben Beginn zaubert die kanadische Truppe ein leichtes und lyrisches Happy End.

Duel Reality – Aufführungen bis 7. Jänner im Volksgarten  – www.winterfest.at
Bilder: Winterfest / Eva trifft 

 

 

 

 

 

 

 

 

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