The show must go on
HINTERGRUND / WINTERFEST / CIRCUS RONALDO
13/12/22 1827 hat es begonnen: Ein Fünfzehnjähriger beschloss, aus seiner flandrischen Heimat aus- und aufzubrechen in die große weite Zirkuswelt. Adolf Peter van den Berghe wurde damit Begründer einer Schausteller-Dynastie. Seine Nachfahren Danny und Pepijn Ronaldo sind ab morgen Mittwoch (14.12.) beim Winterfest zu Gast.
Von Reinhard Kriechbaum
In der Manege also die Generation sechs und sieben einer Genealogie, die wir hier ganz bewusst nicht als „Zirkusfamilie“, sondern eben als Schausteller bezeichnen. Denn eine Geschichte, die in Beethovens (!) Sterbejahr, also bald zweihundert Jahre zurück reicht, bedingte natürlich auch, dass sich diese Künstler immer wieder selbst neu erfunden haben. Sie waren einmal ganz nahe am Zirkus, dann wieder ganz weit davon entfernt. Und damit sind wir eigentlich schon mittendrin in der aktuellen Produktion Sono io? im Volksgarten.
Was für ein Setting für eine Produktion des Genres Nouveau Cirque! Das Zelt des Circus Ronaldo ist ein ganz alter Zirkus, fast wie aus dem Märchenbuch. Dort wacht der Musik-Clown Danny Ronaldo über sein Reich, über das zu herrschen er längst zu alt ist. Der Sohn Pepijn taucht auf, will dies und das versuchen, aber der Alte eifersüchtelt nach Kräften – die nicht mehr ausreichen, um das Oldie-Imperium gegen den Jungen zu verteidigen.
Es entwickelt sich ein anrührend komischer Generationenkonflikt, in dem Sympathie und Vorbehalte mit Charme und vor allem mit Poesie nach und nach bloßgestellt und überwunden werden. Wahrscheinlich bliebe diese Zirkuswelt für einen der beiden allein so schräg wie das auf eine Rolle gestellte Uralt-Pianino, auf dem die beiden einen urkomischen Balanceakt vollführen.
Um den Weißclown, so erfährt man am Ende, ist's noch lange nicht geschehen. Auch wenn er vorerst ein bisserl schlacksig daherkommt. Ein ganz kräftiger Hauch von Melancholie durchweht nicht nur diese Produktion des Circus Ronaldo, die nun in Salzburg zu sehen sein wird. Wir haben sie im Sommer in Graz, beim Festival La strada gesehen und damals geschrieben, das wäre was für's Winterfest – la voilà!
Ein paar Jahre zuvor war der Circus Ronaldo schon einmal in Graz, mit der produktion Fidelis fortibus. Da sind in der Manege die Sägespäne zu kleinen Grabhügeln aufgehäuft, die Handwerkszeuge der verstorbenen Akteure bilden den Grabschmuck.
Nur einer ist übrig, Danny Ronaldo. Vergeblich bleiben seine Versuche, das Publikum wegzuschicken, stattdessen erntet er Gelächter. „Non e comico“, versichert er mit Trauermiene. Aber da gewinnen plötzlich die Musikinstrumente auf den Gräbern Eigenleben. Es ist, als wollten die toten Vorfahren an ein ehernes Gesetz nicht nur der Zirkuskunst erinnern: The show must go on. Und so schnappt Ronaldo den Zylinder des Direktors, den Schirm der Ballerina, die Jonglierringe...
Was den Blick auf den Zirkus einst und jetzt anlangt, gehört Danny Ronaldo wahrscheinlich zu den Spitzenleuten seiner Branche. Nostalgie und Zukunftsperspektive bringt er spielerisch zusammen, und das sind dann nicht nur hintersinnige, sondern auch wundersam musikalisch erdachte Vexierspiele zwischen Alt und Neu.
Im Genre Nouveau Cirque hat Danny Ronaldo (Jahrgang 1969) also seinen festen Platz gefunden. Auch seine Vorfahren, die mit dem Zirkuswagen-Pulk unterwegs waren, gezogen von Pferden und später von Traktoren, mussten sich ja immer wieder ausrichten nach dem, was gerade gefragt war. Der Name des Dynastie-Gründers ist eingraviert in einer Steinplatte des einstigen Zaren-Zirkus in St. Petersburg.
Seine Kinder, Enkel und Urenkel waren Zirkuskünstler, Clowns, aber auch Schauspieler. Sie haben es im 19. Jahrhundert mit Commedia dell'arte versucht. Im frühen 20. Jahrhundert waren sie die ersten in Belgien, die auf elektrische Beleuchtung setzten. Damals haben sie auf ihrer mobilen Bühne den Roman In achtzig Tagen um die Welt von Jules Verne in das Licht gerückt, dem die Zukunft gehörte.
Die bewegte Geschichte des Circus Ronaldo kann man auf dessen Website nachlesen. Die Aufführungsserie beim Winterfest im Salzburger Volksgarten beginnt morgen Mittwoch (14.12.), Aufführungen bis 5. Jänner 2023. Das Winterfest-Programmheft zum Download – www.winterfest.at
Bilder: Winterfest / Tom Herbots (1); Jean Philipse (1); Circus Ronaldo (1)