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Beim Barte des Witzes der Schoschonen

LANDESTHEATER / DER SCHUH DES MANITU

24/01/21 Es ist ein erhebendes Gefühl, wenn man im Theater nicht unter seinem Niveau zum Lachen gebracht wird. Aber es hat schon auch was, wenn man – umzingelt von fünfhundert wild zur Unterhaltung entschlossenen Menschen – sich mal herzhaft deutlich unter dieser Schwelle zu amusieren getraut.

Von Reinhard Kriechbaum

Auf der Bühne des Landestheaters: Der Schuh des Manitu. Im Zuschauerraum: 499 Leute, von denen wahrscheinlich kein einziger den Kultfilm von Michael Bully Herbig nicht kennt. Und sie alle sind deshalb drauf aus, sich durch die in 21 Jahren doch deutlich länger gewordenen Bärte der Witze zu wühlen. Ja, so lange ist's her, dass der Film 11,7 Millionen Deutsche und 1,78 Millionen Österreicher in die Kinos brachte. Mit diesen Zahlen – wir glauben der Einfachkeit halber dem Programmheftbeitrag – hat die Winnetou-Parodie sogar den Ur-Film mit Pierre Brice und Lex Barker überflügelt. Aber kein Wunder: Damals hatte Winnetou noch keinen schwulen Zwillingsbruder...

Aber jetzt gleich voraus, bevor sich der Rezensent dem Vorwurf aussetzt, ein unheilbarer Sauertopf zu sein: Das Salzburger Landestheater hat im Verein mit dem Deutschen Theater München einen wirklich schmissigen Musicalabend zuwege gebracht. Regisseur Andreas Gergen ist ja einer der Meister dieses Fachs, und er hat ein sicheres Gespür für das Zweischneidige dieses Stoffes. Das Publikum hat den Film gründlich inhaliert und rechnet mit hoher Wiedererkennungsfreude. In der 2008 entstandenen Musical-Fassung darf die Musik aber gerade nicht von allzu vielen Déjà-vu's aufgehalten werden.

Die Musik von Martin Lingnau hat nämlich auch ihre eigenen Meriten. Dieser Komponist spielt sich mit Versatzstücken quer und längs durchs Genre. Wo kommt doch gleich der erste Ohrwurm her? Ach ja, There’s No Business Like Show Business klingt fast notengetreu durch, und das passt gar nicht so schlecht, weil Annie Get Your Gun (1946) ja auch im Wilden Westen spielt. So könnte man das Nummer für Nummer aufdröseln: Es ist alles schon irgendwann und irgendwo vor-komponiert, was Martin Lingnau mit leichter Hand und im Detail sogar ein bisserl gefinkelt arrangiert hat.

Genau da setzt auch Andreas Gergen den Hebel an: So platt all das daher kommt – es findet sich doch keine Gesangsnummer, keine Tanzepisode, die nicht irgendwo einen Drall ins Unerwartete, ins Selbstironische nähme. Wir beschreiben hier nicht eine einzige Rakete aus Gergens Ideenfeuerwerk. Wir möchten ja niemandem auch die klitzekleinste Überraschung nehmen. Davon lebt der gar nicht kurze, aber immer kurzweilige Abend.

Soll man das Schuh des Manitu-Fansackerlnehmen oder nicht? Mitmach-Theater ist nicht jedermanns Sache. Aber mit Leuchtstäbchen Stimmung machen zu den sentimentalen Songs, mit Seidenpapier rascheln, um dem Geräuschemacher Max Bauer zuzuarbeiten, und schließlich mit dem Papiertaschentuch den Helden nachwinken, wenn sie auf ihren Pferdekopf-Fahrrädern davonreiten... das darf schon sein. Die Unter-Tag-Achterbahnfahrt mit 3D-Brille tut ihre Wirkung, auch wenn man aus den Disney-Studios diesbezüglich schon ziemlich verwöhnt ist.

Der viel beschäftigte Geräuschemacher: Der ist der einzige, der seinen Kopf aus der Unterbühne herausstreckt. Die Musiker, das Mozarteumorchester unter Gabriel Venzago, sorgen im Souterrain für Stimmung. Es wird sowieso alles elektronisch zusammengemixt und – ziemlich vorlaut – verstärkt. Vielleicht dürften's zehn Dezibel weniger sein, sprich: die Hälfte der Lautstärke? Sollte man mal probieren, es sind nicht alle Zuhörer stockderrisch.

Stockschwul auch nicht – und damit sind wir wieder mitten drin in Bully Herbigs Geschichte. Warum ist der Schuh des Manitu eigentlich immer noch nicht untergegangen in der Welle der Political correctness, die sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zum Tsunami aufgebauscht hat? Es ist wohl der auch auf dem Bühnen Drahtesel-Pferd so unverblümt naiv dahergaloppierende, eher spitzbübische als renitente Witz. Dem geht alle Bosheit ab, und drum darf man sich einfach unbeschwert zu lachen getrauen.

Der bayerische Zungenschlag tut das Seine dazu. Unseren Nachbarn kann man ja sowieso nicht bös sein, das Idiom heiligt die Mittel. In der Landestheater-Aufführung wird der Dialekt unaufdringlich zelebriert. Bully Herbig hat einst Abahachi und Winnetouch in Personalunion gespielt, hier sind's Matthias Schlung und Marc Seitz. Man glaubt bei beiden, Herbig vor sich zu sehen. Den Ranger spielt Andreas Nützl, und der überragt Abahachi um zwei Kopflängen. Das System Muckenstruntz&Bamschabl funktioniert auch im Wilden Westen.

Fein, wenn Martin Trippensee als Hombre zu Winnetouch in den Waschzuber steigt. Ein solches Bad in der fliegenden Badewande dient nicht nur der Körperpflege, sondern auch der Seelenhygiene. Damit sind wir bei den personellen Beiträgen des Landestheaters. Axel Meinhardt ist der Chef-Schurke Santa Maria, Matthias Hermann ist der Listige Lurch, kurz mal der Cheriff und Karl May himself. Und die betörend-liebessehnsüchtige Uschi, eine Saloon-Dame vom Zuschnitt einer Pariser Kokotte: Julia-Elena Heinrich war schon einigemal im Landestheater zu Gast.

Sie alle singen und tanzen hochprofessionell, der Chor des Landestheaters und vor allem das Ballett (Choreographie: Simon Eichenberer) wirken so, als ob sie Jahrt und Tag nichts anderes täten als Musicals aufführen. Was will man mehr. Die Bühne von Sam Madwar wirkt ein bisserl zusammengestaucht, man hätte gerne freieren Blick auf die tollen Video-Spielereien im Hintergrund.

Unsere Empfehlung: Unbedingt hingehen, und einfach ungehemmt mitlachen. Es fällt einem schon keine Feder aus der Indianerkrone.

Aufführungen bis 3. Mai – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger

 

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