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Neid auf jedes Bällchen

WINTERFEST / CIRCONCENTRIQUE

28/12/21 Drei weiße Bällchen rollen auf einem großen weißen Ball. Sie wirken wie angeklebt, aber alles rotiert frei und spottet der Schwerkraft. Planetensystem nix dagegen... Nicht jede der 55 Minuten ist so ruhevoll und poetisch. Schon gar nicht, wenn Alessandro und Max mit allen lauteren und unlauteren Mitteln der Artistik um den „Ball-Besitz“ kämpfen.

Von Heidemarie Klabacher

Und das tun sie oft. Manchmal schießen sie auch scharf. Technisches KO durch Jonglierbällchen auf die Nase? Jederzeit möglich. Wenn der Durchmesser der Bälle größer und dann auch noch das Cyr-Wheel aufgefahren wird, hat das was von Aufrüstung. Zumal der eine rotiert und vom anderen zu immer noch anstrengenderem Kampf gegen das Material „gezwungen“ wird...

Dann wieder pure Poesie mit Ball und Licht. Drei Ballgrößen entsprechen den Lichtkreisen einiger Lampen von Schreibtisch- bis Scheinwerfergröße. Welcher Zauber, wenn liebevoll ein kleiner Lichtkegel auf die kleinen Bälle gerichtet wird, und diese – von Zauberhand bewegt – in Dreiecks-Formation zu rollen beginnen. Das geht dann auch mit dem großen Ball, auf dem die kleinen Bälle wie Monde um ihren Planeten kreisen. Lieblingsszene.

Circoncentrique, der Name des Schweizer Artisten-Duos ist Programm. Jeder Kreis hat ein Zentrum, der kleine Jonglierball wie das Cyr-Wheel, ein Reifen mit zwei Metern Durchmesser. Die aktuelle Produktion beim Winterfest im Volksgarten trägt den Titel Respire. Das Atmen also, dessen ewiges „Ein und Aus“ ja auch was Zyklisches hat. Noch viel spannender ist freilich, wie locker man auf einen Pezziball mit Ein-Meter-Durchmesser springen, fliegen, schweben und dort oben ein Tänzchen hinlegen kann.

Ausgangspunkt für den Abend mit Alessandro Maida und Maxime Pythoud ist ein atemberaubend locker choreografierter Bodenturn-Pas de deux voller Energie und Leichtigkeit. Wie die beiden Artisten miteinander, gegeneinander oder ineinander verflochten Purzelbäume und Hechtrollen vorwärts und rückwärts oder im Sprung hinlegen, ist allein schon betörend. Dann kommen diese Grund-Elemente wieder, während mit Bällchen jongliert oder auf dem Ball balanciert wird. Atemberaubend, auch wenn die Bodenperformance kein Sicherheitsnetz erfordert.

Die schauspielerischen Elemente bringen jenen Touch Abgründigkeit hinein, der Produktionen des Nouveau Cirque oft auszeichnet. Wenn der atemlos im Kreis gejagte und an die Grenze des Wahnsinns getriebene Max endlich im Auge des Taifuns einschläft, verbietet Alessandro empört denn Applaus. „Schläft“, flüstert er. Um im nächsten Moment den Erschöpften mit einem Schrei aufzuschrecken und erneut ins Hamsterrad zurückzujagen...

Dann setzt auch das live von einem Pianisten gespielte Klavier wieder mit Getöse und Getriebe ein. Angekündigt wird als Klavierpartnerin die Pianistin Lea Petra, gespielt bei der Premiere am Montag (27.12.) hat ein Herr im Frack, der seine musikalische Sache mit den beiden Artisten präzise und virtuos auf den Punkt gebracht, entweder für den Wirbelsturm oder für die Ruhe im Auges desselben gesorgt hat hat.

Weitere Vorstellungen bis 8. Jänner im Volksgarten – www.winterfest.at
Bilder: Winterfest / Andreas Kolarik

 

 

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