Don Quichotte als Comic-Held
UNIVERSITÄT MOZARTEUM / DON QUICHOTTE
21/01/19 Georg Philipp Telemanns Don Quichotte auf der Hochzeit des Comacho ist keine wirkliche Oper und hat mit der bekannten Orchestersuite desselben Komponisten nur den Titelhelden gemeinsam. Wie man aus dem knapp einstündigen „Singegedicht“ einen höchst vergnüglichen Theaterabend macht, zeigen die darstellenden Abteilungen der Universität Mozarteum im Großen Studio.
Von Gottfried Franz Kasparek
Pardon, die Abteilungen heißen jetzt anglomanisch Departments. Was man als in Wien im vorigen Jahrhundert sozialisierter Mensch freilich eher französisch ausspricht. Auch Telemann, der so lang von Paris geträumt hat, bis er endlich dort weilen konnte, würde dies tun. In seiner Jugend weilte der Magdeburger Meister gerne in Polen und es ist erstaunlich, wie viel slawisches Kolorit seine Musik sein Leben lang enthält.
Die prächtige Vertonung einer Episode aus dem Cervantes-Roman ist ein Hamburger Spätwerk des 80jährigen. Die vielfältige und bewundernswert kreative Musik lässt eher an Mazurka-Rhythmen denken als an explizit Spanisches. Und steht an der Schwelle zur Klassik – immerhin schrieb damals schon Joseph Haydn seine ersten Symphonien. Eine ariose Szene des Wächters Grisostomo, der hier eine burschikose Wächterin ist, gesungen von der fein artikulierenden, mit bezwingender Leuchtkraft ausgestatteten Mezzosopranistin Zsòfia Mózer, lässt gar schon an Mozarts Pamina-Arie denken.
Kai Röhrig, Dirigent und Seele des Abends, hat schlüssig einige Teile der vierzig Jahre vorher entstandenen Suite dazu gefügt. Wie er mit dem Kammerorchester der Uni und den jungen Leuten auf der Bühne herrlich sprühende Funken und sensible Klangbilder aus der Partitur zaubert, ist schlicht grandios.
Regie und Ausstattung liegen in den Händen von Studierenden. Diana Merkel hat die „szenische Leitung“, Anna Wunderskirchner teilt sich die an Comics angelehnte, knallig-bunte Kostümgestaltung mit sechs Damen und zwei Herren. Anna Schöttl zeichnet für das außerordentlich stimmungsvolle und dennoch moderne Bühnenbild mit Schrägen und perfekt eingesetztem Licht verantwortlich. Die lustigen projizierten Comics stammen von Andi Papelitzky.
Es gibt ein langes, pantominisches Vorspiel in einem kalten Großraumbüro von heute. Don Quichotte ist ein frustrierter Angestellter, sein Knappe Sancho Pansa der Raumpfleger, Dulcinea unter dem Namen Quiteria die vom Macho-Chef Comacho verfolgte Angebetete. Die Windmühlen sind der Ventilator, an dem der Held skurril scheitert. Nach Dienstschluss träumt er sich in die Hochzeitgesellschaft und verschafft, wie es sich gehört, der schönen Schäferin Quiteria ihren armen Schäfer Basilio zum Gatten anstatt des protzigen reichen Comacho.
Das Chorensemble agiert und singt erfrischend und mit Volleinsatz. Felix Mischitz ist ein gebührend schlaksiger, beweglicher Don Quichotte mit gut fokussiertem Charakterbariton. Der Tenor Sascha Zarrabi als sein Alter Ego Basilio hat mehr zu tanzen als zu singen und tut dies mit erstaunlicher Virtuosität und jungenhaftem Elan. Alle stellen köstliche und ziemlich schrille Comicfiguren dar. Di Guan als Sancho Pansa darf mit schönen Basstönen am meisten wirklicher Mensch sein. Die begabte thailändische Sopranistin Dares Hutawattana spielt die längste Zeit gefangene und wegen eines Mundschlosses a la Papageno verstummte Quiteria entzückend bagschierlich und gleichzeitig selbstbewusst. Von ihr verschmäht wird der Chef und Comacho, der mächtige Countertenor Tolga Siner. Großer Jubel für alle am Ende.