Wirklichkeit mit Photoshop
REPORTAGE / BLUFF / TANZHOUSE_FESTIVAL
14/10/16 „Hier wird dann das aktuelle Publikum eingeblendet“, sagt die Choreografin Helene Weinzierl ganz leise. DrehPunktKultur durfte dabei sein bei einer Probe im tanzhouse_studio kurz vor der Uraufführung. Mit der Tanztheaterproduktion „bluff“ eröffnen cieLaroque/helene weinzierl am Montag (17.10.) das tanzhouse_festival in der ARGEkultur.
Von Heidemarie Klabacher
Wenn dann „in echt“ das echte Publikum eingeblendet sein wird, wird auf der Bühne ein einzelner Tänzer sitzen, Karotten und Erdnüsse knacken lassen – und mit sich selbst und seinen Beobachtern plaudern. „Manchmal redet er wild und locker drauf los, kann gar nicht mehr aufhören; manchmal ist es echt schwer und schwer auszuhalten“, schildert die Choreographin den offenen Schluss. Das Publikum muss da durch. „Wem es reicht, der kann ja gehen.“ Zum Zeitpunkt der Probe ist auch noch nicht ganz klar, wie der Tänzer und Performer Hugo de Brigand – alias „Hairyson’s Ford“ – selber aus der Situation hinauskommt: „Wir müssen noch den Fluchtweg für Hugo klären“.
Sonst war am Donnerstag (13.10.) zumindest im Auge der Beobachterin schon so gut wie alles klar: „bluff“ scheint ein dichtes, fein gesponnenes Gewebe präziser Bewegungsfolgen zu sein, in dem die drei Tänzer mit kleinen und kleinsten Berührungen und Gesten die jeweils nächste Bewegung hervorrufen: aus einem Zusammenstoßen zweier Schultern wird eine Rolle vorwärts wird eine Hebefigur… Immer wieder frieren die drei Performer – zwei Tänzer, eine Tänzerin – in einer foto- und filmplakat-tauglichen Pose ein. Sind dann die Künstler zu sehen? Schauspieler?
Wer tanzt überhaupt? Manuela Calleja oder Escarlata Johansson? Luan de Lima oder Leonardo diCabrio? Hugo Le Brigand oder Hairyson's Ford? Oder sind sie ohnehin alle zusammen Aliens nach der feindlichen Übernahme von Menschenkörpern, die zum Titanic-Titellied ganz ohne fliegenden Teppich über eine imaginäre Kitschlandschaft gleiten – eingefroren in der Pose, die sie grad’ auf der Bühne eingenommen haben…
Was bei der Probe ebenfalls noch nicht zu sehen war: „Zu Beginn wird die Information eingespielt, dass Aliens auf der Erde gelandet sind“, sagt Helene Weinzierl. An Plastikvorhängen an den Seitenwänden werden unzählige Artikel über Politik, Wirtschaft, Umwelt… hängen mit Information und Desinformation aller Art. „bluff“ eben. „Lebt man dann vielleicht selbst seit langem schon, ohne es zu bemerken - in einer grandiosen Fälschung? Ist die Welt, ist das Leben, ist das Bewusstsein, zu existieren, ein einziger großer Bluff?“
Die Uraufführung der Tanztheaterproduktion „bluff“ eröffnet am Montag (17.10.) das das tanzhouse_festival 2016. Unter dem Motto „Under the skin“ stehen von 17. bis 28. Oktober 16 Produktionen auf dem Programm, darunter neun Premieren und Uraufführungen lokaler und internationaler Choreografinnen und Choreographen.
Noch vor „bluff“ zeigt am Eröffnungsabend Tomaz Simatović zeigt „Anatomy of Effort“ im ARGEfoyer. Die Editta Braun Company folgt am 19. Oktober mit der Österreichpremiere von „LoSt“. Am 22. Oktober bringen Pinion und Crown „Same same but different“ und Judith Sánchez Ruíz und Edivaldo Ernesto kommen mit Noise. Am 25. Oktober folgt Milan Tomášiks „Solo 2016“ am Nationalfeiertag Mala Klines „bodhi“ gemeinsam mit dem Bodhi Project des SEAD.