Mit zwei Vogelsteigen im Handgepäck
SALZBURGER ADVENTSINGEN
04/10/16 Sauwetter! Auch wenn es nicht wirklich geeignet ist, adventliche Gefühle zu wecken, hat es doch sein Gutes fürs „Salzburger Adventsingen“: Hellmut Hölzl, der langjährige Kostümbildner, hat einige der Kostüme in seinem Garten aufgehängt, auf dass Wind und Wetter dran zerren. Sie sollen nämlich alt und mitgenommen aussehen...
Von Reinhard Kriechbaum
Heuer feiert man das Siebzig-Jahre-Jubiläum, drum hat sich Hans Köhl eine Retro-Geschichte ausgedacht, die 1946 spielt, als im allerkleinsten Kreis das erste Salzburger Adventsingen stattfand. Für Hellmut Hölzl hieß das, „kein Kostümbild, sondern G'wand aus der Zeit“ zu machen. In der wirtschaftlichen Notzeit unmittelbar nach Kriegsende trug man ja älteres Zeug auf. So wird Hölzl die Hirtenkinder „als eine Schulklasse von 1946“ ausstaffieren. Die Kinder trugen damals umgearbeitete alte Klamotten. Auch Maria und Josef, die als Kriegsflüchtlinge ins Spiel kommen, sollen anfangs entsprechend armselig ausschauen. Deshalb also der mehrwöchige Garten-Aufenthalt der Textilien.
Die beiden Figuren, die heuer durch die Geschichte führen, heißen natürlich nicht zufällig Tobi und Annette. Die beiden unterhalten sich, wie's früher war. Annette Thoma hatte ja schon 1932 ein Weihnachtsspiel (schon mit Hirtenkindern) geschrieben. Tobi Reiser nahm sich die Grande Dame des geistlichen Volkslieds in Bayern zum Vorbild. Reiser selbst hatte in den 1930er Jahren am „Dürrnberger Weihnachtsspiel“ teilgenommen. Solche Vorlagen wurden also von ihm damals fürs Adventsingen um Musik ergänzt. Einige alte Musiknummern und ein altes Hirtenspiel wird man auch heuer, in der Produktion „Gib und Frieden!“ erleben.
Die neue Musik und die Instrumentalsätze komponierte Klemens Vereno. Es ist schon seine siebente Arbeit fürs Salzburger Adventsingen. Das Orchester ist, um der Schlichtheit zu entsprechen, ein wenig verkleinert, beispielsweise gibt es kein Schlagzeug. Der schlanke Volksliedton auf der einen Seite, die Dimensionen des Großen Festspielhauses auf der anderen – das sei die Spannung, der es musikalisch zu entsprechen gelte, erklärt Vereno. Zwei neue Gesangsgruppen sind heuer dabei, der „Mühlviertler Dreier“ (Sopran, Alt, Tenor) und das Männerquartett „Mühlviertler Vokalensemble“. Sie alle werden, so Vereno, auch gemeinsam mit dem Chor eingesetzt. Die Hirtenkinder und der Chor bekommen eine gemeinsame Nummer. Denn keiner soll nur auf einzelne Auftritte warten, alle sollen „gedanklich immer auf der Sesselkante sitzen“, wünscht sich der Komponist.
Regisseurin ist wieder Caroline Richards. Die Rolle der Annette übernimmt Susanna Szameit (sie wirkte lange im Landestheater), den Tobi spielt Theo Helm (er gehörte eine Zeit lang dem Schauspielhaus-Ensemble an). Maria und Josef sind Simone Vierlinger und Bernhard Teufl, ein lange eingespieltes Sänger-Paar.
Der Handlung entsprechend sieht man diesmal Salzburg als Bühnenbild. Dietmar Solt erklärt dazu, dass er sich an Fotos der Zeit orientiert habe, es gebe freilich nicht so viele. Also hat er Motive in entsprechenden Sepia-Tönen nachempfunden. Das Ganze solle „wie ein begehbares Klappbuch“ wirken und dürfe „nur ja nicht fototapetenmäßig aussehen“.
Der Vorverkauf bewege sich in der Größenordnung des Vorjahres, berichtet der beim Salzburger Heimatwerk fürs Finanzielle zuständige Stefan Sperr. Die Homepage ist erneuert, optimiert auch für Tablet und iPhone, und man kann jetzt den Buchungsvorgang online abwickeln. Derzeit gibt es noch für alle fünfzehn Aufführungen Karten. Die teuersten seien immer am schnellsten weg, heißt es. Für die fünfzehn Aufführungen plus Generalprobe stehen über 35.000 Karten zur Verfügung.
Die Figur des Tobi Reiser mutiert in einen Vogelfänger. Auch da plauderte der Ausstatter aus dem Nähkästchen: Auf einer Urlaubsreise ist Hellmut Hölzl über zwei alte Vogelsteigen gestolpert, die er dann als Handgepäck im Flugzeug mitgenommen hat. Schräger Vogel, mögen sich die Mitreisenden gedacht haben.