Schandtat
SCHÄNDUNG DES EUTHANASIE-MAHNMALS IM KURGARTEN
14/05/14 Größte Betroffenheit herrscht in der Stadt Salzburg: Das gläserne „Euthanasie-Mahnmal“ im Kurgarten wurde in der Nacht auf heute Mittwoch (14.5.) schwer beschädigt. Auf die ständigen Schmieraktionen mit NS-Parolen, auf die Schändung der Stolpersteine, der Synagoge oder des Denkmals auf dem Kommunalfriedhof folgte damit ein perfider Akt physischer Gewalt gegen ein Mahnmal der Erinnerungskultur.
Von Heidemarie Klabacher
Die Zerstörung des Euthanasie-Mahnmals im Kurgarten wurde heute Mittwoch früh von Mitarbeitern des Gartenamtes entdeckt, meldet die Stadt Salzburg in einer Presseaussendung. Die Polizei wurde sofort informiert, der Tatort abgesperrt. Auch der Verfassungsschutz ist eingeschaltet und ermittelt gegen die bis dato unbekannten Täter.
„Ich bin tief erschüttert“, sagt Bürgermeister Heinz Schaden. „Besonders weh tut mir, dass hier symbolisch noch einmal auf eine besonders verletzliche Opfergruppe des NS-Terrors hingehauen wurde. Nämlich auf hunderte Patienten der damaligen Salzburger Nervenheilanstalt, die von NS-Schergen mitleidlos getötet wurden. Ihnen und ihren Angehörigen gilt unser uneingeschränktes Mitgefühl.“
Auch Bürgermeister-Stellvertreter Harry Preuner als Ressortzuständiger für den Mirabell- und Kurgarten ist betroffen: „Offensichtlich haben manche aus der Geschichte nichts gelernt. Ich hoffe, dass die Täter rasch dingfest gemacht werden können.“
Das Mahnmal werde umgehend und möglichst zerstörungssicher instand gesetzt werden. Inzwischen wird es zum Schutz vor der Witterung abgedeckt.
Auch der Dachverband Salzburger Kulturstätten und mit ihm das Personenkomitee Stolpersteine ist erschüttert: „Dieses Mahnmal, eine mit Asche gefüllte Glasstele zum Gedenken an die Krankenmorde des NS-Regimes, konnte erst nach einer langwierigen, mit vielen Auseinandersetzungen verbundenen Standortsuche im Jahr 1991 errichtet werden“, erinnert das Personenkomitee Stolpersteine in seiner Aussendung.
„Die sich häufenden Beschädigungen von Mahnmalen inklusive Stolpersteinen in der Stadt Salzburg sind als Angriffe rechtsextremer Kreise auf die Erinnerungskultur zu verstehen. Sie betreffen also nicht bloß eine bestimmte Opfergruppe“, so das Personenkomitee Stolpersteine. Kaum bekannt sei, „dass die Tötung kranker Menschen der erste realisierte Massenmord des NS-Regimes war“. Aus Stadt und Land Salzburg seien annähernd vierhundert kranke Menschen ermordet worden: „ Für diese Verbrechen wurde keiner der Verantwortlichen in Salzburg bestraft.“ Als Verantwortliche für die Patientenmorde nennt das das Personenkomitee Stolpersteine die Ärzte Dr. Leo Wolfer als Leiter der Landesheilanstalt (jetzt Christian-Doppler-Klinik) und dessen Sohn Dr. Heinrich Wolfer als Abteilungsleiter, sowie der Landesbeamte Dr. Oskar Hausner als Leiter des Gaufürsorgeamtes und Dr. Friedrich Rainer als Reichsstatthalter.
Die Realisierung des Euthanasie-Mahnmals war tatsächlich eine langwierige Angelegenheit. Daran erinnert auch das InfoZ der Stadt Salzburg: „Aus Anlass des geplanten ‚Bedenkjahres’ 1988 hatte der Salzburger ‚Arbeitskreis Psychiatrie’ auf die in Vergessenheit geratene Vernichtung von etwa fünfhundert Patienten der damaligen ‚Landesheilanstalt für Geistes- und Gemütskranke’ hingewiesen. Sie waren im Jahre 1941 im Rahmen der ‚Aktion T4’ nach Schloss Hartheim bei Linz gebracht und dort getötet worden.“
Der „Arbeitskreis Psychiatrie“ habe im Juni 1987 an die Politikerinnen und Politiker von Stadt und Land appelliert, ein Mahnmal für diese NS-Opfer zu errichten. Nach langwieriger Standortsuche habe der Kulturausschuss der Stadt Salzburg im Dezember 1990 entschieden, das Mahnmal im Kurpark beim Schloss Mirabell zu errichten. „Dieser Standort erfüllt das für Mahnmale nicht unwichtige Kriterium eines frequentierten Platzes. Ein Bezug zum damaligen Geschehen besteht allerdings nicht“, betont auch das InfoZ in seiner Aussendung.
Für das Mahnmal selber hat es einen Kunstwettbewerb gegeben. Aus rund hundert Einreichungen wurde im Juni 1991 dem jungen Linzer Künstler Künstler Otto Saxinger der erste Preis zuerkannt. Zu Allerheiligen 1991 wurde das Euthanasie-Mahnmal der Stadt Salzburg enthüllt. Die rechteckige Stele ist dreifach gegliedert: Sie setzt mit einem Granitsockel an, auf dem ein Glaskörper aufgesetzt ist. Dieser ist mit Asche bis zu einer eingravierten Jahresmarke 1991 gefüllt. Über dieser Markierung bleibt der Glaskörper durchsichtig. – Genau dorthin haben heute Nacht die Täter ihre Schläge gerichtet.