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Die Rache des russischen Oligarchen

REST DER WELT / LEHÁR FESTIVAL / DIE FLEDERMAUS

18/07/16 Als Eröffnungspremiere seiner vorletzten Saison beim Lehár-Festival wählte Intendant Michael Lakner die „Königin der Operette“: „Die Fledermaus“ von Johann Strauß. Nächstes Jahr plant er noch, ist aber selbst nichtmehr da.

Von Elisabeth Aumiller

Nach zwölf Jahren Operettensommerfrische in Bad Ischl wird Lakner mit seinen Intendantenqualitäten künftig ganzjährig der Operette in der Kurstadt Baden bei Wien Flügel verleihen.

Das Regieteam Michaela Ronzoni und Volker Wahl (einst Ensemblemitglied im Schauspielhaus Salzburg) hat bei der diesjährigen Ischler Premiere die Vorgeschichte zur Rache der Fledermaus gleich zu Beginn begleitend zur Ouvertüre bildlich veranschaulicht. In zwei Gefängniszellen zu beiden Seiten der Bühne sind Prinz Orlofsky und Dr. Falke inhaftiert: der millionenschwere Russe wegen Hehlerei und Falke wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Falke erinnert sich an den Vorfall, als Eisenstein nach einer durchzechten Faschingsnacht den als Fledermaus maskierten und stockbetrunkenen Freund auf der Straße liegen ließ, nachdem dieser einen Laternenpfahl angepinkelt hatte, halb entkleidet zu Sturz gekommen war und schließlich von Polizisten in Gewahrsam genommen wurde. Nach diesen Bildern öffnet sich der Vorhang zum Szenarium von Falkes Rachespiel im Jahr darauf. Was gehört zum Spaß, was ist Realität? Die Grenzen verwischen sich.

Das Regieteam verlegt das Geschehen aus der Gründerzeit ins Jahr 1925. Der aktuelle Bezug liegt nicht fern. Eisensteins sind Pleite. In ihrer Küche versieht der Gerichtsvollzieher die restlich verbliebenen Stücke des Mobiliars mit dem Kuckuck: „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist“. Die Spaßgesellschaft kommt trotzdem auf ihre Rechnung, damals wie heute, ist wohl der Hintergedanke des maskierten Ränkespiels, das in der Nacht rauschhafter Vergnügung beim Ball des Prinzen Orlofsky gipfelt. Die Gesellschaft dort ist ein bunt gemischtes Völkchen jeglicher Provenienz in farbenfroh schillernder Kostümierung (von Stefanie Stuhldreier, die im Übrigen für praktisches und einfaches Stage-Design gesorgt hat). Falke als der Drahtzieher versieht seine „Spielfiguren“ mit Tickets für den Zutritt zum Ball.

Der emigrierte russische Prinz, der sein Geld als Drogendealer macht, wird mit der Zarenhymne begrüßt, am großen Spieltisch wird gepokert, der Versuchung zum Koksen widersteht niemand. Wodka und Champagner fließt in Strömen. Die laszive Startänzerin der 1920er Jahre Anita Berber darf beim übermütigen Treiben auch nicht fehlen. Leichtfüßig gibt ihr Nina Kemptner Gestalt. Sie zeichnet auch für die gesamte Choreografie verantwortlich. Zur Polka schnell „Unter Donner und Blitz“ bringt dann das Stuhlspiel „Reise nach Jerusalem“ den Höhepunkt der Ausgelassenheit. Die abgedroschensten tradierten Kalauer in den Dialogen wurden gestrichen, dafür ein paar neue Textvarianten eingefügt.

Trotz etwas veränderter Vorzeichen ist es dem Regieteam gelungen, eine spritzige, unterhaltsame Komödie auf die Szene zu bringen, die die Grundstruktur der originalen Fledermaus sowie den moussierenden Charme und die melodienselig sprudelnde Musik den Zuhörern nahebringt. Auf Übertreibungen und aufgesetzte Drücker einer Pseudokomödiantik wird verzichtet, vielmehr wird das Publikum zum Lachen und auch vielleicht zum nachdenklichen Miterleben angeregt.

Das gute Ensemble setzt die gute Personenregie, die mit so manchem fantasievollen Detail punktet, überzeugend um. Allen voran die gewitzte Rosalinde von Regina Riel, die sich als brillante Operettendiva profiliert und mit ihrem ebenso leuchtkräftigen wie warmen Sopranwohllaut dem Strauß'schen Melodienreichtum blühendes Leben gibt. Der Csardas im 2. Akt zeigte zwar eher unterschwellige Glut als offen loderndes Feuer, ist aber ein Genuss an vokaler Prägnanz.

Mit einem Volltreffer als reizende Operettenbegabung, stimmlich wie darstellerisch, überrascht Alice Waginger mit ihrer quirlig sprudelnden, akrobatisch beweglichen Adele. Ebenso gibt Matjaz Stopinsek einen köstlichen Eisenstein, mit kultiviertem Tenorglanz und ganzem Einsatz an facettenreicher komödiantischer Spiellaune. Josef Forstner hat sich den Gefängnisdirektor Frank maßgeschneidert angepasst. Jevgenij Taruntsov bleibt zwar auch in etwas derangiertem Outfit eine sympathische Bühnenerscheinung, ist aber stimmlich als Alfred eine Fehlbesetzung. Seinem schweren dunklen Tenor fehlt die Leichtigkeit und Höhensicherheit für den um keinen Tenorschlager verlegenen Verehrer Rosalindes. Rita Peterl gibt dem Prinzen Orlofsky wenig Ausstrahlung, bleibt stimmlich wie darstellerisch blass. Ähnliches gilt für Tobias Greenhalgh als Dr. Falke. Um den stotternden Advokaten Dr. Blind müht sich Florian Resetarits angemessen. Der Frosch von Oliver Baier ist nicht die übliche outrierend besoffene Peinlichkeit, sondern ein witziger Kabarettist, der aktuelle Politbezüge und andere Problemstellen aufs Korn nimmt, vom österreichischen Präsidenten-Missgeschick über Brexit und andere Exits bis zur i-Phone-Sucht. Die Publikumsgunst ist ihm sicher.

Einen hübschen Gag steuerte der hervorragend singende Chor im Gefängnis bei mit dem Anstimmen von Verdis Freiheitschor aus Nabucco. Nummer eins der „Fledermaus“ ist und bleibt die Musik von Johann Strauß, die vom Franz Lehár-Orchester unter László Gyükér schmissig, temperamentvoll spritzig und walzerflott bedient wird.

Aufführungen bis 4. September – www.leharfestival.at
Bilder: Lehár Festival / fotohofer

 

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