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Der 35. Lockruf aus Lockenhaus

REST DER WELT/KAMMERMUSIKFEST LOCKENHAUS

11/07/16 1981 wurde das Kammermusikfest im mittelburgenländischen Lockenhaus von Gidon Kremer und dem mittlerweile verstorbenen Ortspfarrer Josef Herowitsch gegründet. Seit 2012 leitet es der 1982 in Heidelberg geborene Cellist Nicolas Altstaedt.

Von Wolfgang Stern

Der Schreiber dieser Zeilen hat seit dem Gründungsjahr 1981 viele besondere musikalische Ereignisse dieses mit einer Ausnahme jährlich stattfindenden Treffens bedeutender Musiker – erst rund um den Stargeiger Gidon Kremer, dann mit vielen neuen Gesichtern rund um Nicolas Altstaedt – mitverfolgen können. Es waren ständig bunte Mix zwischen Altem und Neuem, zwischen Traditionellem und Experimentellen. Vor allem war Gidon Kremer dafür zu danken, dass er Komponistenfreunden (Schnittke, Gubaidulina, Kantscheli,…) aus seiner alten Heimat in Lockenhaus erste Begegnungen mit dem Westen zu vermittelt hat. Lockenhaus wurde zu einem weltweiten Begriff und zieht auch heute noch hauptsächlich ältere (Kammer-)Musikfanatiker, wenn nicht in solchen Scharen wie früher einmal, vor allem aus Deutschland an. Die alten Marathons – ich erinnere mich an einen Lockenhaus-Abend im Jahr Jahr 1982, wo man um 19.30 Uhr abends begann und um 3.30 Uhr des nächsten Tages aus der Kirche ging – wird es wahrscheinlich nicht mehr geben. Aber grundsätzlich ist die Grundidee dieselbe wie zu Beginn: Es gibt nach wie vor keine Gagen für die Mitwirkenden, die Proben sind öffentlich zugänglich, die Konzertkarten preiswerte. Viele schätzen die Nähe zu den Künstlern. Nach wie vor werden die Programme jeweils erst 24 Stunden vor Beginndes Konzerts bekannt gegeben, auch via Internet. Es gibt Meisterkurse für den Nachwuchs.

Ich erinnere mich auch an die ersten fünf „Kremerspiegel“, zusammengefaltete „Leintücher“, die Infos und Ätzendes beinhalteten, aber auch zum Schmunzeln anregten. Im ersten Opus dieser Serien stand u.a. zu lesen: „Wir machen Musik aus Liebe zur Musik: für uns selber, für unser Publikum, für alle, die mit uns eines Sinnes sind!“ Eine Zeit lang hielt dieser Grundgedanke, man sprach von der Oase Lockenhaus. Es war einfach normal, bei Kremer in den Anfangsjahren mitzumachen. Nicht alle wurden zu sogenannten Freunden, zu unterschiedlich waren dann Auffassungen oder die Engagements der Mitstreiter.

Das überhaupt erste Konzert des Kammermusikfestes am 8. Juli 1981 beinhaltete Duos: Kim Kashkashian mit Ko Iwasaki, Misha Maisky mit Oleg Maisenberg, Yuuko Shiokawa mit András Schiff oder Gidon mit Elena Kremer – ein toller Start, der viel in der Folge erwarten ließ. Über fünfhundert Komponisten wurden hier bereits aufgeführt, dabei waren etliche Erst- und Uraufführungen, über tausend Solisten und Ensembles traten bisher auf.

Heute ist eine neue Generation am Werk. Die 35. Auflage mit dem Motto „Terra nova“ ist den vielen Menschen gewidmet, die heute, morgen oder in naher Zukunft auf der Flucht sind und, so Altstaedt im Vorwort zum Folder, „furchtlos neue Wege beschreiten“

Der großartige finnische Geiger Pekka Kuusisto startete dieses Festival solo mit Musik aus seiner Heimat, aus Uusimaa, ehe man sich dem 2. Klavierquintett Gabriel Faurés widmen konnte, in einer hochkarätigen, dynamisch orientierten Wiedergabe mit der norwegischen Geigerin Vilde Frang, dem griechisch-albanisch stämmigen Geiger Jonian Ilias Kadesha, der an der Bruckner-Privatuni lehrenden Bratscherin Lily Francis, Nicolas Altstaedt als souveränen Cellisten und dem umsichtig agierenden Alexander Lonquich am Klavier. An diesem Beispiel findet man Ansätze zum wieder aufgelebten Geist des Festivals, das durch neue Namen und Formationen überraschen kann.

Ohne zu übertreiben braucht das Streichtrio mit Ilya Gringolts (Geige), James Boyd (Bratsche) und Vashti Hunter (Cello) keinen Vergleich mit der legendären Zusammensetzung ( Kremer- Bashmet-Rostropovich) zu scheuen. Unverfroren und enthusiastisch war dieses junge Trio in Mozarts Divertimento Es-Dur, KV 563, unterwegs – ein erster echter Höhepunkt dieses Jahres im Rahmen einer Freitagsmatinee bei leider ehr schwachem Besuch.Welche Energie in diesem Zusammenspiel gleichwertiger Partner steckte, welche Emotionen hier frei wurden…

Ebenso faszinierend dann im Duo Pekka Kuusisto und Nicolas Altstaedt mit der Idee, zweistimmige Bach-Inventionen mit Duos von Jörg Widmann abwechselnd zu Gehör zu bringen. Von „samtig weich“ bis „extrem rubato“ reichte die dynamische Palette der zwei Ausnahmekünstler, wobei ihnen die Akustik des Kirchenraumes zugute kam. Die technischen Anforderungen bei Widmanns Duos waren kein Hindernis, insgesamt zu brillieren.

Man erinnert sich gerne an den Schumann-Schwerpunkt von früher, in der jede Position bestens besetzt war. Diesmal, im Schumann-Klavierquartett Es-Dur, op. 47, fielen besonders die Damen Lily Francis (Viola) und die Britin Vashti Hunter (Cello) als versierte und impulsive Kammermusikerinnen auf. Jonian Ilias Kadesha hatte oft Mühe, sich als Primas durchzusetzen, während Alexander Lonquich als Ruhepol des Quartettes viele romantische Züge einfließen ließ.

Das Kammermusikfest dauert noch bis 16. Juli. Unter www.kammermusikfest.at gibt es mehr Infos und vor allem die Programme, jeweils 24 Stunden vor einem Konzertbeginn.
Bilder: dpk / Wolfgang Stern

 

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