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Mit dem Ballon ins Hexenreich

REST DER WELT / WIEN / ALCINA

22/11/10 Mit Händels „Alcina“ kehrt die Barockoper mit einem Gastorchester zurück ans Haus am Ring: Schön, belanglos und nicht störend – so die Inszenierung von Adrian Noble . Musikalisch ein Hörerlebnis, das einen nach der nächsten Barockoper lechzen lässt.

Von Oliver Schneider

altVerdi im intimen Theater an der Wien, Händel im ehrwürdigen Haus am Ring. Ob eine solche Programmierung sinnvoll ist. Barockopern stehen seit Jahren standardmäßig auf den Spielplänen der großen Opernhäuser: in Wien jedenfalls eine notwendige Bereicherung des Repertoires. Umso schöner, dass Dominique Meyer gleich die zweite szenische Premiere dieser Gattung widmet und Händels „Alcina“ ausgewählt hat.

Die letzte Händel-Oper in der Staatsoper in den fünfziger Jahren dirigierte noch Heinrich Hollreiser. Das wird anders geklungen haben als jetzt bei Marc Minkowski, der am Pult seiner Musiciens du Louvre im leicht erhöhten Orchestergraben steht. Auch eine Premiere.

Dank der größer besetzten Streichergruppe entfaltet das Orchester einen raumfüllenden, aber auch weicheren Klang als gewohnt. Ideal für den Raum und ideal für die Sänger, die sonst aufgrund des ohnehin schon im Vergleich zu anderen Häusern hohen Orchestergrabens oft gegen die Orchestermassen ansingen müssen. Der weichere Klang ändert selbstverständlich nichts daran, dass Minkowski die Partitur dynamisch entschlüsselt, auffächert, mit den Musikern an der altArtikulation intensiv gearbeitet hat. Ein fantastisches Hörerlebnis, das geradezu nach einer Fortsetzung mit einer nächsten Barockoper lechzen lässt.

Exquisit liest sich die Besetzungsliste, die mehrheitlich auch das hält, was sie verspricht. Pure Freude bietet Anja Harteros als Zauberin Alcina, die die Partie bereits in der Jonas-Ära in München gesungen hat. Ihr üppig aufblühender, vibratogesättigter Sopran mag bei Originalklang-Puristen auf Vorbehalte stoßen. Was die Harteros aber an emotionaler Beredtheit in ihren Arien einbringt, möge ihr zurzeit erst einmal eine Kollegin nachmachen. Von Liebe, über Trauer bis hin zu hassvollen Rachgelüsten durchläuft sie die Palette der menschlichen Gefühle. Phänomenal ihre Exzentrik in der Schlussarie des zweiten Akts „Ombre pallide“ und später ihre Resignation im dritten Akt in „Mi restano le lagrime“.

In München dabei war auch schon Vesselina Kasarova als Ruggiero. Sie durchdringt die Partie heute auf eine so tiefgründige Art, dass man zuweilen schon von einer Überinterpretation reden möchte. Diesen Eindruck gewinnt man vor allem im ersten Akt. Die Kasarova hatte hier in der besuchten Vorstellung auch mit den Registerübergängen zu kämpfen. An Tiefgründigkeit lässt es auch Kristina Hammarström als Bradamante nicht fehlen, obwohl sie ihre Stimme einfach strömen lässt. Wunderbar natürlich perlen auch ihre Koloraturen.

Wie ein Profi gestaltet der Florianer Sängerknabe Alois Mühlbacher – alternierend mit einem Kollegen der Wiener Sängerknaben – den Oberto stimmlich mit großer Agilität. Veronica Cangemi setzt als Alcinas Schwester Morgana mit ihrem herben Timbre ein weiteres vokales Glanzlicht. Benjamin Bruns als Oronte und Adam Plachetka als bestimmter Melisso komplettieren rollendeckend, aber unscheinbar das Ensemble.

Schön, belanglos und nicht störend – so kann man die Inszenierung von Adrian Noble zusammenfassen. Er lässt die Oper während ihrer Entstehungszeit spielen und erfindet altkurzerhand eine Rahmenhandlung. Die Herzogin Georgiana Cavendish führt mit ihren Freunden „Alcina“ auf. Theater auf dem Theater also, nichts Neues, genau wie die Idee der Verortung in der Entstehungszeit. Bei einer Barockoper kann dies aber besonders reizvoll sein, spielte doch die Illusion in dieser Zeit eine so wichtige Rolle.

Ausstatter Anthony Ward hat auch den entsprechenden Rahmen mit prächtigen Bildern geschaffen. So landet zum Beispiel die als Ricciardo verkleidete Bradamante mit ihrem Lehrer Melisso im ersten Akt in einem Ballon im Zauberreich der Alcina. Später öffnet sich die Rückwand und sichtbar wird hohes Gras, zwischen dem Alcina mit ihrem aktuellen Liebhaber Ruggiero promeniert, während Schirmträger sie gegen die Sonne schützen. Jedoch schafft es Ward nicht, die Bilder lebendig werden zu lassen. Sie bleiben leere, schön anzusehende Hülsen, in denen die Sänger ihre Arien an der Rampe vortragen. Das ermüdet auf die Dauer. Es lenkt aber auch nicht von der Musik ab, um es positiv zu sagen. Dem Wiener Publikum hat es auf jeden Fall gefallen.

Weitere Aufführungen: 23. und 26. November; konzertante Gastspiele am 29. November in Paris, 30. November in Grenoble, 2. Dezember in Krakau und 4. Dezember in Krakau. -  www.staatsoper.at
Bilder: Wiener Staatsoper GmbH/ Axel Zeininger


 

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