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Aus den Fugen geratenes Spiel

REST DER WELT / ZÜRICH / VIEL LÄRM UM NICHTS

05/10/10 Shakespeares atemlose und intrigenreiche Komödie „Viel Lärm um Nichts“ gelungen neuinszeniert von Karin Henkel am Schauspielhaus Zürich:  Sie hat das heitere Gesellenstück behutsam auf das Wesentliche reduziert und so aktualisiert, dass es nichts von seinem sprühenden und pointenreichen Witz verliert.

Von Oliver Schneider

In Süditalien haben sich Don Pedro und sein Halbbruder Don John bekriegt. Ermüdet und verwundet schleppen sich die Bundeswehrsoldaten nach Messina, wo der Gouverneur Leonato ihnen die wohlverdiente Erholung ermöglicht. Erholung hat auch etwas mit sinnlichen Genüssen zu tun. Leonato, sein Bruder Antonio und deren Mitarbeiterin Ursula kommandieren gleich ein ganzes „Ballett-Alphabet“ junger Damen in Schuluniform im fünfziger Jahre-Stil. Alphabet deshalb, weil jede Dame mit einem Buchstaben des Alphabets angeschrieben ist. Mit an rhythmische Sportgymnastik und die Anfänge des Fernsehballetts erinnernden Choreographien von Ursula (Kate Strong) zu Samba- und Rumbarhythmen, Rosenknospen-Formationen und anderen Spielchen sollen sie die müden Krieger aufpeppen. Auch Hero, Leonatos Tochter.

Für sie wünscht sich der Gouverneur gleich einen passenden Ehemann, den er in Claudio, einem Gefährten Don Pedros, findet. Ein adretter Jüngling, der sich im Ränkespiel Don Johns missbrauchen lässt und Hero am Hochzeitstag Untreue vorwirft. Die Verwirrung nimmt ihren Lauf.

Witzig ist vor allem der zweite Handlungsstrang, der es zwei Sprachkünstlern ermöglicht, in dieser Komödie zu brillieren. Auch in Zürich. Während es im ersten Strang um eine Intrige geht, liegt dem zweiten eine wohlwollende Täuschung zugrunde. Benedict (Aurel Manthei), ebenfalls ein Kriegsversehrter, und Leonatos Nicht Beatrice (Carolin Conrad) wollen einfach nicht zueinander finden. Aus Bindungsangst werfen sie sich eine Verletzung nach der anderen an den Kopf, plappern, was das Zeug hält, um nicht zugeben zu müssen, dass sie zueinander gehören. Da eilen die umsichtigen Verwandten zu Hilfe.

Bei Shakespeare gäbe es ein Happy End. Nachdem Leonato seine Tochter wegen ihres angeblichen Vergehens verstossen will, schlägt die Stunde Antonios, der seine Schlauheit hinter der Fassade eines biederen Beamten versteckt (hervorragend Matthias Bundschuh). Kurzerhand wird der Tod Heros vorgetäuscht, um den verleumderischen Vorwurf zu entlarven, was gelingt.

Karin Henkel und ihr Dramaturg Roland Koberg misstrauen dem glücklichen Ende – wie aus bitterer Erfahrung so oft heute – und greifen ein. Als Antonio Hero vom Schnürboden herabsinken lässt, muss die Gesellschaft feststellen, dass sie Julias Schicksal ereilt hat. Dem schlauen Antonio sind die Zügel entglitten. Auch aus der zweiten Ehe wird nichts, denn Beatrice verwandelt sich kurzerhand zurück in eine wilde Amazone. Der Vorhang hebt sich und senkt sich, es kommt nicht wie es soll, auch Ursula kann nichts mehr ausrichten.

Karin Henkel, die 1995 als 25-Jährige mit ihrer Deutung von Schillers „Kabale und Liebe“ am Wiener Burgtheater ihre Karriere startete und seither an den grossen deutschsprachigen Bühnen reüssiert, hat in Zusammenarbeit mit ihrem Dramaturgen Roland Koberg Shakespeares heiteres Gesellenstück behutsam auf das Wesentliche zusammengestrichen und so aktualisiert, dass es nichts von seinem sprühenden und pointenreichen Witz verliert. Es sind vor allem die Sprachkaskaden von Benedict und Beatrice, die zum Schmunzeln und herzhaften Lachen anregen. Den beiden stellt Henkel noch in ähnlichem Stil die bedeutungsmässig aufgewertete Ursula zur Seite, die immer wieder in ihrer Muttersprache parlieren darf. Dem Zürcher Ensemble lässt sie genug Raum, damit es sich beweisen kann, und überlädt den Abend nicht mit zu vielen Slapstick-Einlagen. Etwas mehr Farbe bekennen dürften allerdings Klara Manzel als Hero und Alexander Maria Schmidt als viel zu braver Don John. Kleine Unstimmigkeiten wie die Bundeswehrsoldaten zu Beginn fallen an diesem Abend nicht ins Gewicht. Lang anhaltender Applaus.

Nächste Vorstellungen: 8., 9., 10., 14., 15. und 17. Oktober - www.schauspielhaus.ch

 

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