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Zwei Götter und eine gefährdete Welt

ZÜRICH / BEAT FURRER / DAS GROSSE FEUER

25/03/25 Umweltzerstörung global – besteht für den Planeten Hoffnung? Das Opernhaus Zürich gratuliert, wenige Monate verspätet, dem in Österreich lebenden Schweizer Komponisten Beat Furrer zum 70. Geburtstag und brachte seine neue Oper Das große Feuer, ein Auftragswerk, zur Uraufführung.

Von Andreas Wegelin

Das Werk basiert auf dem Roman Eisejuaz der Argentinierin Sara Gollardo (1933-1988) und thematisiert das auch heute noch problematische Verhältnis der indigenen Bevölkerung im argentinischen Trockenwald im Norden Argentiniens zu den Eroberern aus Europa. Die Hauptfigur des 1971 entstandenen Romans heißt als Wichí-Indigeno (=Ureinwohner) Eisejuaz, trägt aber auch den spanischen Namen Lisandro Vega und nennt sich selber „Este también“, was soviel heißt wie „Dieser hier auch“.

Damit ist der Konflikt des Romans bereits umrissen: Eisejuaz ist als Indigeno fähig, die Stimmen von Tieren und Bäumen zu hören. Er nimmt die uralten Traditionen des Lebensraums der indigenen Bevölkerung auf und will sie weiter pflegen. Die spanischen Eroberer haben jedoch durch die christliche Mission Eisejuaz/Lisandro Vega auch den christlichen Glauben an Gott eingepflanzt. Leider bringen die Eroberer nicht nur den christlichen Glauben und ihrer Ansicht nach zivilisatorischen Fortschritt, sondern auch Profit und Geldgier in die Lebensräume der Indigenos.

Die Brandrodung großer Waldflächen gibt dem Werk mit Das große Feuer auch den Titel. Eisejuaz hat dank der Holzverwertung Arbeit im Sägewerk und fühlt sich gleichzeitig hingezogen zu den Wäldern und den Stimmen der Bäume und Tiere. Das von Österreicher Thomas Stangel verfasste Textbuch ist zweisprachig, Deutsch und Spanisch. Dies bringt das letztlich für den Protagonisten zerstörerische Ineinandergreifen der beiden Pole – Glaube an die Naturgötter und an den christlichen Gott – perfekt zum Ausdruck.

Die Musik von Beat Furrer ist äußerst fein und zerbrechlich. Der Komponist arbeitet mit seinen eigenen kompositorischen Mitteln und enthält sich jeglicher folkloristischen Zitate. Der Opernstoff ist denn auch keine exotische Fantasie, sondern harte soziale Realität: Kolonialismus und Umweltzerstörung sind heute immer noch universelle Themen. Es bedarf keiner kulturellen Aneignung, um die uns alle betreffende besorgniserregende Entwicklung darzustellen. Das groß und mit speziellen Instrumenten (zum Beispiel Teodoro Anzellotti am Akkordeon) besetzte Orchester spielt meistens schwebend leise in oft tiefen Klangregionen, was der Aufmerksamkeit des Publikums förderlich ist. Die Musik erzeugt damit eine starke Spannung, die über die rund 110 Minuten des zweiaktigen Werks anhält und die Besucher in den Bann zieht.

Beat Furrer leitet selbst die äußerst einfühlsam agierende Philharmonia Zürich. Es ist ihm mit diesem Werk starkes Musiktheater, weniger eine Oper im herkömmlichen Sinne gelungen. Seine Musik erzeugt eine beklemmende Stimmung und illustriert den Widerstreit zwischen zivilisatorischen Fortschritt und damit einhergehender Umweltzerstörung auf eindrucksvolle Weise. Trotzdem bleibt in der Musik ein Hoffnungsschimmer, wenn kurz vor dem Tod des Eisejuaz beim Erscheinen der indigenen Frau Muchacha der Komponist aus der Marienvesper von Monteverdi zitiert.

Der Einheitsbühnenraum von Henrik Ahr ist eine Installation auf einer Drehbühne mit darauf gesetzten Stäben, die den Wald andeuten. Wenige Objekte wie ein Altar für den Schamanen Ayò oder ein Arbeiter des Sägewerks auf einem Fahrrad über der Bühne schwebend, überlassen die Deutung der 22 Szenen stark der Fantasie des Publikums.

Diese Uraufführung ist die achte Regiearbeit von Tatjana Gürbaca für Zürich. Sie wurde bei der Premiere – anders als ihre bisherigen Arbeiten des Repertoirekanons – einhellig vom Publikum gefeiert. Tatjana Gürbaca war während der Probenarbeiten erkrankt. Darum entstand die szenische Umsetzung schließlich erfolgreich zusammen mit der Co-Regisseurin Vivien Hohnholz. Eine besondere Leistung liegt in der Personenführung des zwölfköpfigen Chorensembles Cantando Admont. Das Ensemble wurde von Cordula Bürgi gegründet. Die von ihr für die Uraufführung einstudierten Sängerinnen und Sänger intonieren nicht nur perfekt die Klänge und Harmonien in Vierteltönen von Beat Furrer, sondern verkörpern im Laufe des Abends auch unterschiedliche Figuren des Stücks. Damit werden sie zu szenisch Mitwirkenden in den verschiedenen Konstellationen und Beziehungen unter den Darstellern.

Zusammen mit den Protagonisten des Cantando Admont agiert ein Solistenensemble angeführt von Leigh Melrose, der die Zerrissenheit der Titelfigur Eisejuaz eindrücklich und sehr glaubwürdig darstellt. Sein Gegenspieler Paqui, ein weißer rassistischer Kleinkrimineller, wird von Andrew Moore verkörpert. Sarah Aristidou leiht der Muchacha eine sehr einfühlsame Stimme. Auch Ruben Drole weiß die Rolle des Schamanen überzeugend umzusetzen.

Mit der Uraufführung dieses siebten Opernwerks von Beat Furrer ist dem Opernhaus Zürich eine sehr sorgfältige und eindrücklich einstudierte Hommage an und mit dem Schweizer Komponisten gelungen. Es ist zu hoffen, dass das vielschichtige und Themen unserer Zeit klug verarbeitende Werk seinen Weg über weitere Bühnen macht. Es würde sich allemal lohnen, den eindringlichen Appell für eine Welt, in welcher der Mensch in Einklang mit der Natur und nicht mit deren Ausbeutung lebt, weiterzutragen.

Weitere Vorstellungen am 25. 28. 30. März; 4. 6. und 11. April – www.opernhaus.ch
Bilder: Opernhaus Zürich / Herwig Prammer

 

 

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