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Vom Blütenmeer zum Zivilisationsmüll

REST DER WELT / ZÜRICH / RUSALKA

04/06/10 Vor einem Jahr hat Matthias Hartmann aus Zürich ins Wiener Burgtheater übersiedelt, nun ist er für eine Neuinszenierung von Antonín Dvo?áks lyrischen Szenen „Rusalka“ zurückgekehrt. Piotr Beczala und Krassimira Stoyanova brillieren in der Aufführung.

Von Oliver Schneider

altGenau wie 2008 Jossi Wieler und Sergio Morabito in Salzburg bricht auch Hartmann den romantischen Kern der Märchenoper auf, um die Sehnsucht einer Wassernymphe, Rusalka, nach dem Menschsein auf eine symbolische Ebene zu transponieren. Die Heimat von Rusalka ist ein auf einer Metallscheibe verschiebbares blaues Blumenmeer vor der nächtlichen Skyline von New York.

Hartmann interessiert sich für den Gegensatz zwischen Mensch und Natur. Ein interessanter Ansatz, würde er nicht auf halbem Weg stecken bleiben. Der Burgtheater-Direktor macht Dvo?áks vorletztes Musiktheaterwerk zu einem modernen Märchen. Aus den Waldelfen werden munter summende Bienen, aber vom Wasser können sich Hartmann und Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann nicht wirklich lösen. Rusalka muss sich auch bei ihnen von einer buckligen Fantasy-Hexe von ihrem Fischschwanz loszaubern lassen. Ein Hydrant am Bühnenrand und das Auftauchen des Wassermanns aus dem Bühnenboden zeigen, dass sein Reich die Kanalisation ist.

altAus der Stadt stammt der Prinz, der Rusalka mit seiner roten Jacke einfängt und sie auf sein Schloss, symbolisiert von einem riesigen Kronleuchter, mitnimmt. Dafür, dass Rusalka Teil dieser Welt werden kann, zahlt sie als Preis den Verlust der Sprache und muss mit dem Damoklesschwert leben, zum Irrlicht zu werden, wenn ihre Liebe nicht erhöht wird. Der Prinz ist Teil einer Partygesellschaft im extravaganten Outfit (Kostüme: Victoria Behr), deren Dionysos (Ádamo Dias) die Menschen mit einem Mix aus klassischem und modernem Tanz zu seinen Jüngern macht (Choreographie: Ismael Ivo). Rusalka bleibt in ihrem tradtionellen Kleid ein Fremdkörper, was durch den Auftritt ihrer Nebenbuhlerin, der fremden Fürstin, noch akzentuiert wird. Nicht so richtig zu Hartmanns Idee wollen die Szenen der Bediensteten passen, denen Hartmann mit übertriebener Komik Herr zu werden versucht.

Insgesamt bleibt Hartmanns Deutung konventionell und bildlastig. Entschädigung bietet zum Glück der eindrückliche dritte Akt, in dem die Blumenwiese zur Müllhalde wird. Hier zeigt Hartmann, dass Dvo?ák den Gegensatz zwischen Mensch und Natur personalisiert hat. Wenn Rusalka ihren Prinzen mit dem Todeskuss aus seinem oberflächlichen Leben erlöst, dürfen sich Krassimira Stoyanova und Piotr Beczala als großartige Sängerschauspieler beweisen.

Eine Luxusbesetzung sind die beiden auch stimmlich. Krassimira Stoyanova verleiht der Wassernixe voluminösen Sopranglanz und lyrische Makellosigkeit im Lied an den Mond, der unnötigerweise dazu aus dem Bühnenboden aufgeht. Piotr Beczala setzt, wie schon in Salzburg, mit seiner schmelzreichen und elegant auftrumpfenden Stimme Maßstäbe. Der Rest der Besetzung ist solide: Michelle Breedt als fremde Fürstin mehr eifersüchtige Ehefrau, Alfred Muff ein imposanter, wenn auch nicht intonationssicherer Wassermann, Liliana Nikiteanu eine Hexe wie aus dem Bilderbuch, aber ohne Substanz im tiefen Register. Eva Liebau schliesslich gibt wieder den quirligen Küchenjungen, aus dem Hartmann eine Karrieristin im dezenten Kostüm gemacht hat.

Das Orchester machte dem Opernhaus Zürich am Premierenabend alle Ehre, musizierte kontrolliert im wachen Dialog mit dem Bühnengeschehen. Vladimir Fedoseyev ist ein guter Sachwalter für Dvo?áks postwagnersche Klangwelt, übersetzt in den böhmischen Volkston. Wirkt der erste Akt noch etwas spannungslos, so findet Fedoseyev spätestens ab der Ballettmusik zur richtigen Balance zwischen subtiler Lyrik und spätromantischer Üppigkeit.

Nächste Vorstellungen: 6., 11., 13. und 16. Juni - www.opernhaus.ch
Bilder: Opernhaus Zürich

 

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