Wie liest man den Koran richtig?
HINTERGRUND / HOCHSCHULWOCHEN
30/07/15 Die die deutsche Koranforscherin Angelika Neuwirth ist gestern Mittwoch (29.7.) mit dem „Theologischen Preis“ der Salzburger Hochschulwochen ausgezeichnet worden. Sie plädiert für „zeitgemäße, auch politikbewusste kritische Koranforschung“.
Eine solche Forschung, die sich historischer Methoden ebenso bedient wie literatur- und kulturwissenschaftlicher Methoden, könne ein „ideologisches Korrektiv“ gegen jede theologisch verengende Koran-Lektüre sein, sagte Neuwirth im Rahmen der Verleihung des Theologischen Preises. Damit werde die enge Verwandtschaft von Judentum, Christentum und Islam deutlich und es zeige sich, dass der Koran „kein nur-islamischer Text“ sei, sondern „integraler Bestandteil unserer – eben nicht nur – jüdisch-christlichen Spätantike“.
Die von Angelika Neuwirth im Rahmen des von ihr geleiteten Forschungsprojekts „Corpus Coranicum. Textdokumentation und historisch-literaturwissenschaftlicher Kommentar“ verfolgte historisch-kritischen Koran-Lektüre sei insofern „zeitgemäß“ und innovativ, als die Methode keine „monokausale“ Interpretation zulasse. In ihr schießen vielmehr Schrift, arabische Kultur und auch die „Hörerdynamik“, also die Art, wie der Koran seine Wirkungsgeschichte bei der Ausbildung der ersten Gemeinden entfaltete, zusammen, so Neuwirth. Die Wissenschafterin betonte anlässlich der Preisverleihung auch, dass ein Zugang, wie sie ihn praktiziert, als „ideologisches Korrektiv“ bereits „von zahlreichen Neudenkern des Islam eingefordert“ worden sei. Ziel sei nicht etwa eine „Einmischung in die Reform des Islam“, wohl aber wolle man einen „Anstoß zu einer angemessenen Wahrnehmung des Koran“ geben.
Angelika Neuwirth sieht sich der Tradition der jüdischen Koranforschung verbunden. Eine Rückbesinnung auf die jüdischen Würzeln habe mit der bahnbrechenden Studie „Was hat Mohamed aus dem Judentume aufgenommen?“ von Abraham Geiger 1833 ihren Anfang genommen, diese Forschungslinie hat aber 1933 unter dem Nazi-Regime und der Vertreibung jüdischer Intellektueller ein jähes Ende gefunden. Die jüdische Koran-Forschung habe bewusst die historisch-kritische Methode der christlichen Bibelwissenschaft aufgegriffen, so Neuwirth. Dadurch sei der Koran wissenschaftlich als "wertneutrale historische Urkunde rehabilitiert" und in einen konkreten historischen Kontext eingebettet worden.
Erst nach den Anschlägen vom 11. September 2001 habe ein „neues, öffentliches Nachdenken über den offenbar unbekannt gebliebenen Islam und Koran eingesetzt“ und neue Forschungsinitiativen angestoßen, sagt die Wissenschafterin. (Kathpress)