Zur Wohltätigkeit und zur neugekrönten Hoffnung
HINTERGRUND / MOZART / FREIMAURERMUSIKEN
31/10/13 „Er besitzt Tugend?“ - „Tugend!“ - „Auch Verschwiegenheit?“ - „Verschwiegenheit“ - „Ist wohltätig? - „Wohltätig! Haltet ihr ihn für würdig, so folgt meinem Beispiele.“ Laut Regieanweisung bläst Sarastros Priester-Mannschaft dann dreimal in die Hörner.
Von Reinhard Kriechbaum
Solche Signale haben wahrscheinlich nur die Eingeweihten, also die Freimaurer selbst korrekt deuten können. Angeblich hat Mozart in seine diversen Freimaurermusiken manche dieser akustischen Ritual-Botschaften eingebaut. Vielleicht wird man in der Zusammenschau all dieser Werke, wie sie die Salzburger Hofmusik unter Wolfgang Brunner morgen Freitag (1.11.) mit erheblichem Aufwand bieten wird, das eine oder andere heraushören. In der „Zauberflöte“, der Freimaurer-Oper schlechthin, spielt die Zahl drei jedenfalls eine entscheidende Rolle. Das beginnt mit den drei Akkordschlägen in der Ouvertüre, geht über diverse Dreier-Konstellationen (Drei Damen, Drei Knaben) bis zur Haupttonart Es-Dur, die bekanntlich drei b-Vorzeichen hat.
Aber um die „Zauberflöte“ geht es gar nicht in dem Projekt, das Wolfgang Brunner morgen Freitag (1.11.) vorstellt: Brunner setzt sämtliche Freimaurermusiken Mozarts – Lieder, Chorwerke, Kammermusik – im Originalklang um. Natürlich alle bis auf „Die Zauberflöte“. Wie muss man sich diese Logen-Musiken vorstellen, da doch die Freimaurer ein Geheimbund waren, ihre Zusammenkünfte und Zeremonien also gewiss keine Musiker von außen zuließen? Aus gutem Grund, so erklärt Wolfgang Brunner, habe man sich für eine solistische Besetzung entschieden: „Bis heute herrscht Unklarheit über die Größe der Wiener Logenräume. Soweit man aus erhaltenen
Anwesenheitsprotokollen schließen kann, fanden sich im Durchschnitt 50 Brüder zu den feierlichen Logensitzungen ein. Fremde waren zum Ritual nicht zugelassen, Mozart war also auf die unter den Brüdern befindlichen Instrumentalisten angewiesen.“
Das vorhandene Instrumentarium der Wiener Elite-Loge „Zur wahren Eintracht“, der Mozart später angehörte, bestand nach einem Bericht von 1782, also zwei Jahre vor Mozarts Eintritt in den Bund, gerade aus einem für 10 Gulden erstandenen Clavichord, das allerdings bald durch eine kleine Orgel ersetzt wurde. „Die beschränkten Platzverhältnisse bedingten geradezu eine möglichst kleine
Besetzung“, folgert Wolfgang Brunner. Der Musiker führt auch Aspekte der Klangbalance ins Treffen: Beispielsweise bevorzuge Mozart in seinen Freimaurerkompositionen Bassetthörner mit ihrem weichen runden, aber auch verhältnismäßig leisen Klang. „Werden diese Bassetthörner – wie heutzutage allgemein gebräuchlich – mit einer chorischen Streicherbesetzung 'konfrontiert' und überdeckt, lassen sich Mozarts differenzierte Dynamikangaben – zum Beispiel Schwelltöne im Piano – nicht realisieren: der massive Streicherklang zwingt üblicherweise die Bassetthorn-Spieler zu einem Dauerforte.“ Die Spieler müssten dann „Mozarts penible Hinweise ignorieren, um überhaupt hörbar zu sein“.
Der Salzburger Musikwissenschafter Rudolph Angermüller hat sich in der umfänglichen, siebzig Seiten starken Broschüre zum Konzert mit dem Thema Mozart und Freimaurer penibel auseinander gesetzt. Eine durchwachsene Sache: Seinem Fortkommen war die Mitgliedschaft in Wien gewiss dienlich. Gern zitiert werden Mozarts verzweifelte Bettelbriefe an den Logenbruder Puchberg. Andrerseits: Als Mozart in Paris war, waren es Freimaurer-Zirkel, die eine Aufführung der berühmten Bläser-Concertante vereiteltern.
Mozarts erste Komposition für eine Freimaurerloge entstand 1772 in Salzburg, nämlich das Lied für eine Singstimme und einstimmigen Chor mit Klavierbegleitung in D-Dur „O heil’ges Band“ KV 148. Damals gab es noch keine Loge in Salzburg, die Ligenbrüder am Ort waren im Münchner Vereinigungen inkorporiert. Die erste Salzburger Loge, „Zur Fürsicht“, wurde 1783 gegründet. Ihr erster Meister vom Stuhl war der Salzburger Domherr Friedrich Franz Graf von Spaur1, einer der namhaftesten und aktivsten Aufklärer im Erzbistum.
Ob Allerheiligen ein symbolträchtiger Termin ist für das Unternehmen, das Wolfgang Brunner morgen Freitag (1.11.) startet, bleibe dahin gestellt. Heilig oder mehr scheinheilig – jedenfalls waren die Freimaurer in der Mozart-Zeit ein repräsentativer Männerbund. Am 14. Dezember 1784 wurde Mozart in die Wiener Loge „Zur Wohltätigkeit“ aufgenommen. „Die Mitglieder stammten aus dem bürgerlichen Lager, sie rekrutierten sich vor allem aus Verwaltungsbeamten (ca. 43%), Universitätslehrern (12 %), geistlichen Berufen (10 %), Künstlern (Musiker, Maler) (9%)“, schreibt Rudolph Angermüller. „Das Durchschnittsalter betrug 1785 ca. 33 bis 35 Jahre.“
Die Yuppies des Josephinischen Zeitalters waren da also beisammen. Rasch hat Mozart es vom Lehrling zum Gesellen und weiter zum Meister gebracht. Spätestens am 24. Juni 1785 hat Mozart jedenfalls die einschlägige Arbeit im Meistergrad – was auch immer man sich darunter konkret vorstellen darf – hinter sich, da wird er im Mitgliederverzeichnis der Loge „Zur Wohltätigkeit“ bereits als Meister aufgeführt. Als Nummer 20 wird er geführt.
Auch Mozarts Vater wurde anlässlich seines Wien-Besuchs Freimaurer, und Joseph Haydn war war damals Mozarts weitaus berühmtester Musiker-Kollege im Club der Edelgeister. Freimaurer-Erfahrung hatte übrigens auch der Textdichter der „Zauberflöte“, Emanuel Schikaneder. 1788 wurde er Mitglied der Loge „Die Wachsende zu den drei Schlüsseln“ in Regensburg und erhielt bald darauf den Gesellengrad. Wegen seines losen Lebenswandels wurde er jedoch von der Loge ausgeschlossen.
Als die Loge „Zur Wohltätigkeit“ im Dezember 1785 aufgelöst wurde – Josef II setzte auch da zum Kahlschlag an – wurde Mozart Mitglied der Loge „Zur gekrönten Hoffnung“.
Rudolph Angermüller verweist unter anderem darauf, dass das d-Moll-Klavierkonzert einige Besonderheiten zeige, die es ebenfalls als Komposition in Freimaurer-Nähe ausweise: „Auffallend ist die Tonart d-Moll, die aber am Schluss des Konzertes nach D-Dur gewendet wird. Der 1. Satz (396 Takte) in d-Moll fängt düster an, das wird besonders durch Synkopen in Violinen und Violen erreicht. Die Triolen weisen bereits auf die freimaurerische Drei hin.“ Im Finalsatz spiele Mozart „mit dem Dunkel-Hell-Kontrast, von der Finsternis zur Helligkeit. Ein Prinzip des 3. Grades.“
Übrigens nimmt auch die Maurerische Trauermusik eine Wendung von c-Moll nach C-Dur. Zu Mozarts Zeit endete ein Werk fast immer in der Grundtonart. Warum also in dem Fall C-Dur, eine lichte Tonart? Angermüller hat eine Antwort parat: „Bei jeder Arbeit gedenkt man den Brüdern, die in den Ewigen Osten gegangen sind. Der Ewige Osten ist aber eine Lichtquelle, und Licht ist gleich in der Musik mit Dur gleichzusetzen.“ Drei Bassetthörner und ein Kontrafagott geben der Maurerischen Trauermusik ihre spezifisches Klangbild.
Wolfgang Brunner verweist darauf, dass das Konzert morgen Freitag (11.1.) zum ersten Mal in Salzburg sämtliche Freimaurermusiken Mozarts in klanglicher Originalgestalt, also auf Instrumenten der Mozart-Zeit, vorstelle. Eine kleine Armee von Sängern und Instrumentalisten ist dazu am Werk. Und es bleibt sogar noch Raum für Neues, für Paul Angerers „Fantasie über zwei Mozart Fragmente“, nämlich das Allegro assai für 2 Klarinetten und 3 Bassetthörner, KV 440b, und das Adagio für Klarinette und 3 Bassetthörner, KV 440c.