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Raste Krieger, Krieg ist aus…

KLAVIERABEND / PAUL LEWIS

15/03/13 Paul Lewis spielte im Großen Saal die drei letzten Klaviersonaten von Franz Schubert. Der Brendel-Meisterschüler irritierte zunächst mit viel Pedal und beiläufiger Geläufigkeit – und zeigte dann umso eindrücklicher, welche Tiefenschichten mit Null Pathos erreicht werden können.

Von Heidemarie Klabacher

Übermächtig laut und imposant verschwommen. Ein aufgewühlter Ozean mit einem einzigen Pinselstrich auf die Leinwand gefegt: Das war der erste Eindruck von Paul Lewis Einstieg in die Sonate c-Moll D 958. Adagio und Menuett brachten Momente größter Transparenz im Klang und in der Phrasierung, das Allegro huschte virtuos - vom Pedal impressionistisch aufgelöst – vorüber.

Die ersten Takte der A-Dur Sonate in ihrer aufwühlenden Expressivität: fremd in den Akzenten, ungehört, unerhört. Das Andantino klang bei Paul Lewis mehr den je nach Chopin. Das dunkelsamtene Nacht- wurde wie von Zauberhand zum Mond und Sterne überglitzernden Seestück. Spätestens mit dem langsamen Auftauchen der ersten Motive des zerrissenen verstörenden Zwischenteils aus dieser Traumszene hatte die Schubert-Lesart von Paul Lewis einen „gepackt“. Die Ländlerseligkeit im Scherzo huschte wieder geisterhaft vorüber – doch mit dem neu erschlossenen Zugang klang das nicht länger „beiläufig“, sondern wie eine verblasste und verblassende Erinnerung an eben diese seligen Zeiten.

Kalt gelassen haben diese Interpretationen vom ersten Takt an nicht. Ob er einem gefällt oder nicht, das hätte man in der Pause noch nicht eindeutig sagen können. Dass der Pianist Paul Lewis seine Interpretation dem Hörer nicht durch Bedeutungsschwere aufdrängt, sondern zunächst scheinbar unverbindlich zur Diskussion zu stellen scheint, wusste man hingegen sofort zu schätzen.

Mit den in Uchida’ oder Sokolov’scher Klarheit artikulierten ersten Akkorden der Sonate B-Dur D 960 hatte man endgültig einen weiteren Lieblingsinterpreten seiner Liste hinzuzufügen, einen, der auch hier hörerisches Neuland eröffnet. Da sind etwa diese überirdischen zarten hohen Töne in der Beleitfigur im langsamen Satz: Jeder einzelne dieser Töne wird von den Pianisten als Stich ins Herz seiner Hörer zelebriert. Nicht so von Paul Lewis. Er setzt hier keine Impulse, keine Herzstiche, sondern lässt die wohl emotionalsten Spitzentöne der Klavierliteratur in einer durchgehenden sanften – aber keineswegs besonders langsam gespielten – wiegenden Bewegung „einfach“ aufgehen. Das ergibt nicht das übliche herzzerreißende Suchen und Tasten im Unbehausten, sondern ein sanftes Lied: „Raste Krieger, Krieg ist aus…“ (Wie Paul Lewis wohl den Klavierpart dieses Liedes spielen würde?)  Die dramatischen Passagen der Zerrissenheit im zweiten Satz von D 960 tauchen aus dem sanften Schlummer heraus auf, wie ein stürmischer Morgen. Doch alsbald holten Nacht und Träume den Tag wieder ein.

Bild: www.paullewispiano.co.uk

 

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