Triumph des Geistes
PETER LANG / BEETHOVEN-ZYKLUS
24/01/13 Peter Lang ist beim sechsten Konzert seiner Reihe sämtlicher Beethoven- Klaviersonaten im ausverkauften Solitär angelangt. Das Publikum, darunter ein repräsentativer Querschnitt durch die Salzburger Klavierszene von jung bis alt, feierte den Interpreten lauthals und völlig zu Recht.
Von Gottfried Franz Kasparek
Am Mittwoch (23.1.) lagen, wie immer bei Peter Lang, keine Noten am Klavier. Vier kapitale Sonaten bewältigt der Ausnahmekönner souverän aus dem Gedächtnis. Peter Langs Konzert-Dramaturgie ist nicht chronologisch geordnet, sondern versucht, rund um einen populären Stücknamen - wie diesmal „Waldstein“ - erfolgreich atmosphärische und formale Bögen quer durch den Klavier-Kosmos Beethovens zu finden. Worauf die ansonsten vom Geiste reiner Analyse durchtränkten Programmhefte leider kaum eingehen.
Ein Abend wie dieser mit zwei hoch experimentellen frühen, einer eruptiven mittleren und einer geheimnisvollen späten Sonate erschließt sich freilich aufmerksam Hörenden von selbst. Musik an der Schwelle zur großen Romantik, Musik, die gleichzeitig bereits über das 19. Jahrhundert hinausblickt, Musik geballter Expression und kunstfertigster Variation – so könnte man diesen Abend zusammenfassen.
Am Beginn stand die Sonate Nr. 12 As-Dur op. 26, als deren ersten Satz Beethoven eine Variationenkette geschrieben hat, was gar nicht so neu war – denkt man etwa an Mozarts A-Dur-Sonate KV 331. Peter Lang meißelte die scharfen Kontraste zwischen dem Folgenden, zwischen rasantem Scherzo, theatralischem Trauermarsch und geradezu wütend fröhlichem Finale kompromisslos und mitreißend heraus. Revolutionsetüden in Sonatenform sind dies, zweifellos, anno 1802.
Stürmisch ging es auch in der „Waldstein-Sonate“ C-Dur op. 53 weiter, die oft als „Klavierkonzert ohne Orchester“ bezeichnet wird, in ihrer formal wagemutigen Zweisätzigkeit aber eher als „Symphonische Dichtung“ für Klavier solo gelten kann. Wie Lang hier die brillante Virtuosität, die ihm auch zu Gebote steht, immer mit glasklarer Klanglichkeit verbindet und mitunter, so in der langsamen Introduktion des 2. Satzes, Inseln lyrischen Verweilens findet, stellt ihn in die Reihe der großen Beethoven-Interpreten.
Die Es-Dur Sonate op. 27/1, sozusagen die vernachlässigte Schwester der „Mondschein-Sonate“, führte aus den „Fidelio“-Tagen der „Waldstein-Sonate“ zurück in die Zeit um 1800. Eine faszinierend vielschichtige Attacca-Fantasie voll bärbeißigem Witz und innovativer Kraft.
Zwei Jahrzehnte später entstand die Sonate Nr. 31 As-Dur op. 110, mitten in der Arbeit an der „Missa Solemnis“. Das Wunderwerk des dritten Satzes mit der unentrinnbaren Fuge im Zentrum war diesmal besonders faszinierend. Es auf Strukturen zu reduzieren, hieße Beethovens eigene Spielanweisungen wie „poi a poi di nuovo vivente“ – nach und nach zu neuer Lebendigkeit - zu negieren. Peter Lang tat dies nicht, sondern fand berührend zu jenem „Triumph des Geistes“, der die Sonate krönt. Und danach war wirklich keine Zugabe mehr möglich.