Triumphal, überwältigend!
MOZARTEUMORCHESTER / CONSTANTINOS CARYDIS
15/01/24 Beethovens letzte Klavierkonzert verleiht der „imperiale“ Titel zusätzliche Größe. Ottorino Respighi bebildert musikalisch klangsinnlich die Größe Roms. Für Größe mal Zwei sorgten Constantinos Carydis, der Pianist Behzod Abduraimov und das Mozarteumorchesters bei der dritten Sonntagsmatinee im Großen Festspielhaus.
Von Horst Reischenböck
Kannte Beethoven das Jenamy-Konzert KV 271 von Wolfgang Amadé Mozart? Der Gedanke drängt sich auf bei Ludwig van Beethovens Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73. Nicht nur, weil beide Werke in Es-Dur stehen, sondern – damals einzigartig – auch den Solisten gleich nach erstem Orchestertutti in den Blickpunkt des Geschehens rücken, ehe noch ein Hauptthema erklingt. Das ist bei Beethoven derart unmissverständlich majestätisch, dass diese seine Komposition in England seither unter Emperor Concerto firmiert. Auch stammte Erzherzog Rudolph, der Widmungsträger und Solist der Uraufführung, aus dem Hause Habsburg-Lothringen.
Das erste Allegro gab sich diesmal so kämpferisch, wie Marc-Antoine Charpentier die Tonart Es-Dur als „grausam“ und Johann Mattheson als „pathetisch“ einstufte. Dergestalt überrumpelte auch die Wirkung am Sonntag (14.1.) im Großen Festspielhaus, unter Carydis bestimmender Diktion, geschärft durch Einsatz kriegerisch schmetternder Naturtrompeten.An diese nahtlos anschließend der Pianist Behzod Abduraimov die drei Kadenzen aller damals möglichen sechs Oktaven an Tonumfang eines Flügels durchmaß.
Vornehmlich als Interpret östlichen Repertoires international ausgezeichnet und gewürdigt, scheute er auch nicht davor zurück, das exzellent mitstreitende Mozarteumorchester kämpferisch-virtuos zu attackieren.Danach schwebte Abduraimov versonnen über der überirdisch zart gedämpft von den Streichern zu Beginn der Variationen im anschließenden H-DurAdagio angestimmten Erinnerung ans h-Moll-Seitenthema des Kopfsatzes. Danach stürzte er sich, im geforderten Forte, ins Rondo-Finale mit seinem jubelnden Abschluss – vom gut Auditorium ebenso jubelnd quittiert.
Die Vorherrschaft der Oper verhinderte in Italien lange Zeit das Aufkommen reiner Konzertorchester und, damit verbunden, das Entstehen von Orchesterrepertoire. Ottorino Respighis Lehrer Giuseppe Martucci schuf erste bedeutende, in jüngster Zeit wieder entdeckte Sinfonien, an die sein Schüler mit einer kaum je zu hörenden Sinfonia drammatica anknüpfte. Wirkungsvoll nachhaltig erwies sich hingegen Ottorino Respighis in drei Schüben über 13 Jahre hinweg entstandene römische Trilogie. Hier trieb er seine durch Nikolai Rimski-Korsakow inspirierte Kunst der Instrumentierung auf seine persönliche Spitze.
Speziell die ersten beiden, jeweils viersätzigen Teile – Fontane di Roma und Pini di Roma, bieten durch den geforderten üppig tönenden Aufwand Gelegenheit, sich auf dem Podium klangsinnlich auszubreiten und zu verströmen. Der Wirkung und des bekrönenden tönenden Gipfels willen wurden auch vom Mozarteumorchester die beiden Sätze in umgekehrter Reihenfolge ihres Entstehens gespielt. Vor gut dreißig Jahren waren die Stücke vom Mozarteumorchester unter damals Chefdirigent Hubert Soudant zu hören gewesen. Nun wurden sie, von Constantinos Carydis engagiert beflügelt, einmal mehr zur Demonstration orchestralen Könnens auch in Großbesetzung genützt.
So beschworen die Holzbläser in den Tagesaufgang hinein die über La fontana di Valle Giulia aufgehende Sonne. Prächtig intonierten die Hörner die Kaskaden des Triton-Brunnens, ehe mittäglicher Glanz die Fontana di Trevi umspülte. Zärtliche Harfenklänge weckten dann die Abendwinde in der Dämmerung in den Gärten der Villa Medici und ließen deren Brunnen hörbar plätschern. Noch opulenter, mit Orgel, Klavier, Celesta und sieben Schlagwerkern besetzt, danach jene Pinien, unter denen die Kinder in der Villa Borghese spielen. Unmittelbar gefolgt von der an Mussorgski gemahnenden Zwiesprache mit den Toten in der Schauer und Kälte verströmenden einer Katakombe. Düstere Gedanken, aus denen zärtlich dann Soloklarinettist und Oboistin ins irisierende Tageslicht zum Zwitschern originaler Vogelstimmen herausholten. Zuletzt wurde Roms Glorie vom Marsch der Kontrabässen aufwärts lautstark bis in strahlende Blechbläser-Regionen gefeiert. Jene sechs Bucinae, römische Signalinstrumente aus Bronze, die Respighi nach Fundstücken aus Pompeji nachbauen ließ, bekrönten stattdessen beidseitig an der Rampe postierte Trompeten und ein zusätzliches Posaunenpaar. Triumphal, überwältigend!
Bilder: Thomas Brill; Evgeny Eutykhov