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CD-KRITIK / BECKMANN / BACH / CELLO SUITEN
29/04/10 ... war für Robert Schumann „des Künstlers Beruf“. Die Klangräume und Frequenzen seines Instrumentes auszuleuchten, ist für Matthias Beckmann des Cellisten Beruf: „Die fünfte Saite macht das Violoncello vollkommen“, sagt Beckmann, der die gesamte Celloliteratur auf einem eigens für ihn gebauten fünfsaitigen Instrument musiziert. Bachs Solo-Suiten und Gamben-Sonaten liegen nun vor.
Von Heidemarie Klabacher
Matthias Michael Beckmann gilt als Pionier am Violoncello. So ließ sich der Musiker 2007 „sein eigenes Cello“ bauen: Die renommierten Geigenbaumeister „Roger Hargrave & Bertrand Bellin“ haben für ihn ein fünfsaitiges Instrument mit einer Diskant-E-Saite entwickelt. Gestimmt ist das Instrument auf 432 Hz.
Aber dass allein macht den charakteristischen weichen Tonfall nicht aus - und auch nicht den eigentümlichen Reiz dieser Gesamteinspielung der Bach'schen Cello Solo-Suiten.
Vom Prélude der ersten Suite BWV 1007 an fällt der respektvolle Umgang des Künstlers mit dem Werk auf: Beckmann nimmt sich als Interpret ganz zurück, lässt quasi die Noten und das Instrument die Sache unter sich ausmachen. Fast könnte man von der Selbstauslöschung des Interpreten sprechen, angesichts dieser rückhaltslosen Bescheidenheit: Da gibt es kein Tänzeln oder Swingen, kein Kokketieren mit Vibrato oder gar selbstvergessenes „Baden“ in romantischem Nachhall. Damit bekommen die Stücke - bei aller technischen Präzision und wohlüberlegter Phrasierung - etwas in sich Ruhendes, ja in sich Verschlossenes. Nicht dass Beckmann seine Zuhörer von seinem Dialog mit dem Instrument ausschließen möchte. Das sei damit nicht gesagt. Die Menuett-Sätze etwa laden ganz dezidiert zum Tanzen ein, aber eben innerhalb der Zeichen und Vorgaben historischer Tanzschriften.
Ein größerer Gegensatz zur - zumindest im direkten Vergleich - beinah selbstverliebt wirkenden Einspielung von Jean-Guihen Queyras (auf einem viersaitigen Cello vor kaum eineinhalb Jahren eingespielt) ist da nicht denkbar.
Die Gigue in der Suite 3 BWV 1009 entwickelt zwar den Sog eines unaufhörlich anschwellenden Flusses oder eines kontinuierlich kräftiger sich drehenden Mühlrades. Wie ihre Schwestern an den Schluss-Stellen der anderen fünf Suiten poltert aber auch diese Gigue nicht über Stock und Stein und scheinbar unkontrollierter Energie daher, sondern besticht im Gegenteil, mit einer Dynamik, die nach innen zu blicken scheint.
Erstaunlich geradezu die Entwicklung der Suite Nr. 4 BWV 1010 vom geradezu beängstigend zurückhaltend gespielten Prélude, bei dem der Bogen über jeden Saitenwechsel zu reflektieren scheint, bis über die sensationell obertonreich klingende Sarabande, bis zur zur mächtig fließenden Gigue, bei der einzelne Töne teils klingen wie sonst nur gestrichene Akkorde - ein schillerndes Klangfarbenspektrum eröffnend.
Tatsächlich aufregend ist der Klang der Suite Nr. 6, deren Ambitus ja seit jeher für Diskussionen gesorgt hatte, auf welchem Instrument Bach das Stück wohl gespielt haben möchte: auf einem „Cello Piccolo“, einer großen Bratsche, einem „normalen“ Cello, wie es zu Bachs Zeit gerade in Entwicklung war… Die hohen, dabei immer strahlenden und weich timbrierten - Töne, die Beckmann seiner „Fünften Saite“ in BWV 1012 entlockt, sind tatsächlich atemberaubend. Oft verwenden Cellisten für die sechste Suite ja ein kleineres Instrument mit fünf Saiten. Wieland Kuijken hält es so, etwa auf seiner grandiosen Einspielung aus 2002). Hier aber wird der profunde weiche Sound der Tiefe quasi mithinaufgenommen in die Höhe. Spannend. An diese Suite geht der Matthias Beckmann denn auch mit jenem Selbstbewusstsein heran, dass er sich bei seinem reflektierenden Weitblick und seinem Gespür für Dramaturgie den anderen fünf Suiten gegenüber durchaus auch leisten könnte.
J.S.Bach: 6 Cello-Suiten. Matthias Michael Beckmann, 5-saitiges Violoncello. MMB 008/10. 3 CDs.
J.S.Bach: Gamben-Sonaten. Matthias Michael Beckmann, 5-saitiges Violoncello, Clarissa Bürgschwendtner, Kontrabaß, Michael Walter, Klavier. MMB 009/10.
Matthias Michael Beckmann spielt morgen Freitag (30.4.) um 19.30 Uhr im Dorothea Porsche Saal im Kulturforum Odeion (wo auch die Bach-Suiten aufgenommen wurden) Werke von Schumann, Chopin und Bach. Karten und Info: www.odeion.at ;
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