Samtig und geschmeidig und wendig wie die Klarinette. Profund und samtig und noch mehr ins Bauchinnere dringend als die tiefsten Blechblasinstrumente. Die Saxophon-Familie umfasst alle Register. Ein Saxophonquartett steht in seinen technischen und interpretatorischen Möglichkeiten denen eines Streichquartetts in nichts nach. Das haben wir nicht gewusst. Das haben wir noch nicht gehört. Zum Auftakt seines Debüt-Konzertes bei der Mozartwoche am Freitag (31.1.) im Rittersaal der Residenz spielten Kebyart – Pere Méndez Sopransaxophon, Víctor Serra Altsaxophon, Robert Seara Tenorsaxophon und Daniel Miguel Baritonsaxophon – Bearbeitungen von Choralvorspielen Johann Sebastian Bachs. Wenn das gesamte Konzert aus „Bach für Sax“ bestanden hätten, wäre es allein schon ein Highlight gewesen.
Die vier Stimmen verschmelzen wie der Klang einer perfekt registrierten Orgel. Es erklangen BWV 731, 639 und 106, Liebster Jesu, wir sind hier, Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ und Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit. Ist ja nicht so, dass man Bach für Bläserbearbeitungen nicht schon gehört hätte. Aber die quasi klangliche Geschlossenheit dieser Sätze für eine Bläserfamilie ist eine ganz eigene Sache. Das hat nichts von Harmoniemusik oder Weisenblasen (beides ganz wunderbar, nicht falsch verstehen). Die Suite C-Dur/c-Moll KV 399 stand tags zuvor in der Lesart und Ergänzung des Musikwissenschaftlers und Pianisten Robert Levin auf dem Programm. Das Stück mit fragmentarischer Sarabande und Gigue ist als Spielwiese offenbar beliebt. Man hätte es (ziemlich genau 24 Stunden später) nicht wiedererkannt, so anders wirkte es in der Fassung für vier Saxophone. Kebyart spielten die Sarabande in der Ergänzung von Robert Levin, haben die Gigue aber weggelassen. Der Vergleich war quasi „akademisch spannend“.
Fünf kurze Sätze aus der Suite e-Moll RCT2 aus den Pièces de clavecin von Jean-Philippe Rameau (in der Barbeitung von Kebyart und Mathias Riise) konnten – seien wir ehrlich – ob der technischen Möglichkeiten der Instrumente und Brillanz der vier Virtuosen wohl faszinieren, aber nicht wirklich überzeugen. Ein Cembalo ist dann doch delikater.
Höhepunkt war dann, was man sich vom Programm her am allerwenigsten hat vorstellen können: Mozarts Dissonanzenquartett C-Dur KV 465. Die Ausdrucksmöglichkeiten im Expressiven wie im Kantablen entsprachen tatsächlich denen eines – verdammt guten – Streichquartetts. Das war kein Liebäugeln mit Exotismus oder CrossOver, das war KV 465 mit anderen Mitteln. Die überwältigende Virtuosität des Sopransaxophonisten Pere Méndez ließ im Andante immer wieder an das Klarinettenkonzert denken. Das Menuett fetzig bockig, das Trio geradzu eine unheimliche Opernszene – die sich in der Rückblick des wiederkehrenden Menuetts als wirrer Traum erweist. Dem raffiniert changierenden Satz in dem – an der Oberfläche – so munteren Allegro war in der Lesart von Kebyart auch in den mittleren Stimmen perfekt zu folgen.
Die radikalen Dissonanzen, die Mozarts Zeitgenossen so irritiert haben, die Brüche und Trübungen im ganzen Werk, fallen heutigen Hörern wenig auf. Das völlig andere Soundkleid des so bekannten Werkes ließ dessen Modernität wieder deutlich bewusst werden.
Ein turbulenter und noch einmal virtuos gesteigerter Kehraus war das siebte der 7 Capricci für Saxophonquartett von Jörg Widmann – geschrieben für und uraufgeführt von Kebyart: Achterbahnfahrt einer Zirkuskapelle. Und der seltsame Name des Ensembles? Beim Suchen wurden wir unter anderem auf der Webiste der Konzertdirektion Hamburg fündig: „Das balinesische 'kebyar' bedeutet so viel wie 'plötzlich aufflackern' oder 'aufplatzen'.” Wie stimmig!