Johann Sebastian Bachs Oeuvre bildet eine der Grundlagen der so genannten abendländischen Musik – insofern könnte fast jedes Konzertprogramm so heißen. François Leleux, Meisteroboist und immer mehr auch ein veritabler Dirigent, widmete sich am Beginn und am Ende Mozart, mit dem ihm eigenen energischen Temperament und doch mit einer Prise Charme. Die erste und die letzte Symphonie des Hausgottes bildeten die Klammer des Programms. Das Es-Dur-Stück des Achtjährigen in London hat mehr von Johann Christian als vom Vater Bach übernommen und erfreut immer wieder mit seiner frischen Laune in den Ecksätzen, während man sich im Andante einer kleinen Meditation über die Wanderungen eines Viertonmotivs aus dem Gradus ad Parnassum des Johann Joseph Fux hingeben kann. Musiziert wurde das auf Punkt und Komma.
Darauf hatte ein „Wunderkind“ von heute seinen umjubelten Auftritt. Der sympathisch jungenhaft auftretende, nun sechzehnjährige Georgier Tsotne Zedginidze komponiert schon seit zehn Jahren und erregt auch als Klaviervirtuose Aufsehen. Mit zwölf hat er eine einsätzige Violinsonate geschrieben, gewidmet seiner Förderin Lisa Batiashvili, die sie seitdem im Reisegepäck hat und nun in Salzburg vorstellte.
Mit Verve und Brillanz erklingt da ein gehaltvolles Stück voll komplexer Rhythmik und mit mystisch raunenden Motiven, die wohl der Musik Georgiens entstammen. Dabei darf man an Bartók und Ravel denken – aber, siehe oben, auch Mozart kam nicht ohne Vorbilder aus. Vor der Pause sorgte dann noch Bachs Konzert für Oboe, Violine, Streicher und Basso continuo für viel Freude an der emphatischen Virtuosität des Duos Batiashvili und Leleux. Im Verein mit der mitatmenden Camerata war dies Musikantentum im besten Sinne.
Tsotne Zedginidzes Erste Sinfonie (über der abgebildeten ersten Partiturseite steht „Symphony“, warum also „Sinfonie“?) gelangte nach der Pause zur Uraufführung. Der Komponist, im Wesentlichen Autodidakt, legte damit einen eindeutigen Beweis seines originellen Talents vor. Die Bratschen beginnen mit fein gesponnenen Motiven, die Streicher treten hinzu, dann Fagott und Kontrafagott. Die Stimmung bleibt dunkel und geheimnisvoll, woran das alsbald losbrechende Klanggewitter √oll sich exzessiv entladender, oftmals wiederholter dramatischer Gesten nichts ändert. Harte Bartók-Pizzicati erzeugen wilde Tänze. Die dreiköpfige Kontrabassgruppe schafft gleichsam solistisches Innehalten zwischen den herben Eruptionen, mitunter tauchen einfach schöne Melodien auf, die zu Grunde liegende freie Tonalität wird freilich mit harten Dissonanzen aufgeladen.
Das knapp halbstündige Stück, ein rhapsodischer Einsätzer, endet schließlich wieder in der Dämmerung, aus der es entstanden ist. Der Auftrag dazu kam von der Mozartwoche, dem schottischen und dem schwedischen Chamber Orchestera, die Anregung von Maestro Leleux. Dem das Ergebnis offensichtlich ebenso viel bedeutet wie der grandios aufspielenden Camerata. Das Publikum feierte die Ausführenden und vor allem den merkbar gerührten jungen Tondichter, auf dessen weiteren künstlerischen Weg man sehr gespannt sein darf. Da hat einer eine eigene Stimme und schreibt Musik, die direkt unter die Haut geht.
Wir wollen hoffen, dass er „seine“ Jupitersymphonie erst in vielen Jahrzehnten vorlegen darf. Mozarts symphonisches Testament zu loben, erübrigt sich – es gibt kaum ein vollkommeneres klassisches Gattungsbeispiel. Welch eine Entwicklung in den 24 Jahren seit dem netten KV 16! François Leleux befeuerte das Orchester mit einer Leidenschaft, die erwidert wurde. Dies ist kein strenger Originalklang, sondern stürmische Spiellust, farbenreich und dennoch konzis geformt. Große Begeisterung.