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Altersnachsicht und Massenmord

WOLF HAAS IM REPUBLIC

25/10/10 Ob du es jetzt glaubst oder nicht: Der Wolf Haas ist nicht für jedermann. „Ich bin doch nicht Elektriker geworden, um Krimis zu lesen“, beschwert sich ein Berufsschüler beim Erfolgsautor. Doch im Grunde finden die jungen Leser, aus deren Briefen Haas zu Beginn seiner Salzburger Lesung zitierte, die Bücher des steirischstämmigen Schriftstellers eh „total in Ordnung“.

Von Thomas Macher

Ähnlich sah es das Publikum im gut gefüllten Saal des Republics. Wenn der Brenner, der den detektivischen Schlapphut inzwischen gegen eine Chauffeursmütze eingetauscht hat, angestrengt versucht eine Leiche aus einer Jauchengrube zu befördern und dabei im Telefongespräch mit einer ebenso widerspenstigen Südtirolerin fast noch mehr zu kämpfen hat, folgte dem pflichtschuldigen Raunen fast immer ein unwillkürliches Lachen.

Und das obwohl „Der Brenner und der liebe Gott“, der sechste Band der Krimireihe rund um den problembeladenen Ermittler, auch schon fast zwei Jahre auf dem Buckel hat. Doch der ehemalige Webetexter Haas versteht sein Geschäft und mischte zwischen die gut gewählten Buchpassagen, routiniert eine Reihe von Schmankerln, die auch den Appetit seines sattesten Lesers wieder angeregt hätten.

Besonders in Erinnerung blieb dabei die große Gedächtnisleistung mit der der Autor im Stegreif aus seinem ersten lyrischen Werk „Die Gans im Gegenteil“ (ein von Teresa Präauer wunderschön illustriertes Kinder- und Erwachsenenbuch) rezitierte.

Für die meisten Lacher sorgte aber die angeregte Diskussion auf einer Onlineplattform, die Haas dem Internet entnommen hatte. Schüler suchen dort verzweifelt nach Interpretation und Inhaltsangabe von Haas' Roman „Der Knochenmann“. Nach vielen gleichlautenden Anfragen meldet sich endlich jemand mit einer Inhaltsangabe und der kurz gehaltenen Interpretation, dass es sich um ein „scheiß Buch“ handle.

Eine Bewertung, die für Haas' neuesten Roman jedenfalls nicht zulässig ist. „Der Brenner und der liebe Gott“ erzählt im bekannt eigenwilligen Sprachduktus gewohnt packend von der Entführung eines kleinen Mädchens und den mörderischen Folgen. Brenner, die Hauptfigur, zu Beginn des Buches noch als gutmütiger Herr Simon porträtiert, scheint darin schon eine, wohl auch tablettenbedingte, Altersnachsicht entwickelt zu haben.

Ähnliches trifft vielleicht auch auf seinen Schöpfer zu. Wie anders ist es zu erklären, dass der Starschriftsteller sich bei der anschließenden Signierstunde auch von blendenden Blitzlichtern und ausgefallenen Autogrammwünschen nicht aus der Ruhe bringen ließ. Selbst einer sich vordrängelnden Dame erfüllte er den Signierwunsch. „Was soll ich denn tun“, meinte er seufzend zu den Wartenden. Vielleicht aber auch ein alarmierendes Zeichen. Weil, wie es so schön in einem Satz des beworbenen Buches heißt: „Seufzende Aggression immer am schlimmsten, und altbekannte Tatsache: Hinter jedem Massenmörder steht eine Massenseufzerin.“

Zu hoffen bleibt allerdings, dass Wolf Haas und auch sein Held Simon Brenner ihre Nerven im Zaum halten können und ihnen noch Kraft genug für viele weitere Fälle bleibt.

Die Bücher von Wolf Haas sind im Verlag Hoffmann und Campe erschienen: www.hoffmann-und-campe.de
Bild: www.hoffmann-und-campe.de


 

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