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Gedanken zur leeren Stadt

LESEPROBE / PUSTET / SILENT SPACE

01/10/13 Salzburg völlig menschenleer? Schwer vorstellbar. So oft werden hierorts ja nicht – wie man in Deutschland so schön sagt – „die Gehsteige hochgeklappt“. Aber der Fotograf Jens Riecke hat sich für „Silent space“ zu Stunden auf Fotojagd begeben, wo wirklich keine Menschseele zu sehen ist. – Eine Schau und Leseprobe.

Steingasse

Aber jetzt ist es still. Ganz still. Jetzt klappert kein Pferdehuf, jetzt klappert kein Bocksfuß. Die Rösser schlafen in den dunklen Ställen außerhalb der Stadt. Keine Geschäfte mehr zu erledigen bis morgen früh. Der Teufel hat dreimal an der Türe zum Freudenhaus geläutet, Sturm geläutet. Und keine, keine einzige von den herrlichen Damen hat ihm geöffnet.
Jetzt liegt er, hundert Meter westwärts, drunten an der Salzachböschung, besoffen und gram, und wartet auf ein Hochwasser wie jenes im Jahre 2013, das ihn nach Hause spült in die süße, süße Unterwelt. Totenstille. Nur ganz leise, aus dem obersten Stockwerk, außerhalb des Bildes, dringt eine kleine Stimme, wie aus dem Himmel, durchs halboffene Fenster in die Nacht: „... Zusatzzahl 34 ...“
Walter Müller

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Mozarts Geburtshaus

Habe ich sommers dieses Geviert zu durchqueren, fällt es mir nicht schwer, Verdruss zu empfinden. Zu viele Touristen drängeln sich vor Mozarts Geburtshaus, um den richtigen Platz für ein schlechtes Foto zu suchen. Hier beginnt die Verbotszone der inneren Stadt, die vernünftige Einheimische, wenn es sich einrichten lässt, meiden. Jetzt ist kein Lebewesen zu sehen. Dennoch zeigt mir das Bild nicht die Würde einer von den drängenden Massen befreiten, nicht die Stille der gerade erst erwachenden Stadt. Es ist der Schrecken der Leere, den es in mir weckt: Denn was ist eine Stadt ohne ihre Bewohner? Sie sind es doch, die erst eine Stadt aus ihr machen!
Karl-Markus Gauß

Jens Riecke: Silent Space. Salzburg. Mit Texten von Wolfgang Danzmayr, Wolfgang Fels, Karl-Markus Gauß, Christoph Janacs, Roswitha Klaushofer, Walter Müller und Fritz Popp. 160 Seiten, Verlag Anton Pustet, Salzburg 2013, € 34.- - www.pustet.at

Das Buch wird morgen, Mittwoch (2.10.) um 19 Uhr im Vortragssaal des MdM vorgestellt.

 

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