Der einsame Überlebenskampf
IM KINO / MAMA ILLEGAL
15/11/12 Ist eine Reportage einmal unter Dach und Fach, dann wird das Thema von Journalisten im Allgemeinen abgehakt. Selten, dass einer über Jahre dranbleibt, so wie der Filmemacher Ed Moschitz in einem moldawischen Dorf. Und an Frauen, die dieses Dorf Richtung Österreich verlassen haben.
Moschitz‘ bereits preisgekrönter Film „Mama Illegal“, kürzlich beim Filmfestival Radstadt gezeigt, hat morgen Freitag (16.11.) Salzburg-Premiere. Beim „One World Filmfestival“ in Brüssel hat der Streifen den Hauptpreis bekommen.
Aurica, Raia und Nata?a sind drei Mütter aus einem kleinen moldawischen Dorf. Sie haben Schleppern ihre Ersparnisse anvertraut und auf der Reise nach Westeuropa ihr Leben riskiert. Nun leben sie hier – und bleiben dennoch unsichtbar. Sie putzen Toiletten und sind in der Altenpflege tätig, aber illegal. Ohne gültige Papiere stehen sie schutzlos und ohne medizinische Versorgung da, jahrelang getrennt von Kindern und Familien. Alles, was vom im Westen hart erarbeiteten Geld übrig bleibt, schicken sie nach Hause zu ihren Familien. Ihre Kinder daheim wachsen alleine auf.
Der Preis ist auf Dauer noch höher: Die Rückkehr sieht nach all den Jahren ganz anders aus als geplant. Nach langer Zeit in der Ferne sind die Kinder erwachsen und die Ehemänner entfremdet. Die gesellschaftliche Kluft, die sie zu überwinden trachteten, droht die Familien endgültig auseinander zu reißen. Im Westen nicht wirklich angekommen und angenommen, stellen sie fest, dass ihnen ihre Heimat fremd geworden ist.
„Mama Illegal“ zeichnet sieben Jahre im Leben der drei Frauen nach. Die Kamera ist bei Schicksalsschlägen ebenso dabei wie bei Momenten der Freude. Ein Film über den Preis des Traumes von einem besseren Leben.
Keiner ihrer Arbeitgeber hat sich wirklich für die Lebensgeschichten dieser billigen Arbeitskräfte interessiert. Sehr wohl der Filmemacher Ed Moschitz. Geboren 1968 in Judenburg, Steiermark, begann er seine journalistische Karriere noch während des Studiums 1994 mit Arbeiten für das Südwind Magazin, Falter und Presse. Seit Mitte der neunziger Jahre ist Moschitz für den ORF tätig, seit 1998 ist er für die Redaktion von „Am Schauplatz“ als Reporter, Redakteur und Gestalter von inzwischen 100 Sendungen. Tätig. Eine dieser Reportagen – „Dorf ohne Mutter“ – ließ Ed Moschitz nicht mehr los. Seit 2004 besuchte er die in dieser Sendung portraitierten Frauen immer wieder.
Nun also das Ergebnis dieser sieben Jahre währenden journalistischen Beziehung, ein berührender Dokumentarfilm, eine präzise Langzeitstudie: So unterschiedlich die Lebensgeschichten der porträtierten Frauen sind, so trifft für alle doch eines zu. Sie kommen aus einem Land ohne Perspektive. Die Arbeitslosigkeit ist enorm und die Jobchancen gleich null. Dennoch sind die Preise in den Geschäften ähnlich hoch wie in Westeuropa. Als einzigen Ausweg sehen viele nur noch die illegale Einreise in die EU um dort für wenig Geld private Haushalte zu putzen oder Pflegebedürftige zu betreuen. Nur so können sie etwas Geld erwirtschaften und ihren Traum von einer besseren Zukunft verfolgen. In der Zeit der Abwesenheit müssen die daheim Zurückgebliebenen ihre Probleme alleine lösen. Die Distanz hinterlässt bei einer ganzen Generation Spuren.
Ed Moschitz‘ Kinodebüt zeichnet einfühlsam das Leben der drei Frauen nach: ihre Ängste und die Unsicherheit ihres illegalen Status, aber auch die Konsequenz und die Zähigkeit, mit der sie die Widrigkeiten ihres Lebens bewältigen. Moschitz ergreift in seinem Film nicht Partei, doch er wirft „eine Menge Fragen über jene Umstände auf, die zu illegaler Einwanderung, persönlicher Entscheidungsfindung und institutionellen Verantwortlichkeiten führen", wie die Jury beim „One World Filmfestival“ befand. „Mama Illegal“ bringe uns die Alltagsrealität von Menschen nahe, die unter uns leben und doch „unsichtbar“ bleiben.
2010 ist Ed Moschitz mit einer ganz anderen Sache in die Schlagzeilen geraten. Nach Moschitz’ preisgekrönter „Am Schauplatz“-Dokumentation „Am rechten Rand“ hatte FPÖ-Chef Strache den Vorwurf erhoben, Moschitz habe zwei junge Rechtsradikale angestiftet, bei einer FPÖ-Kundgebung „Heil Hitler“ zu rufen. Das Videoband des ORF sei manipuliert worden, um diese „Anstiftung zur Wiederbetätigung“ zu vertuschen. Haltlose Vorwürfe, wie sich inzwischen herausstellte. Das durch die FPÖ angestrengte Verfahren ist längst eingestellt. Anhängig ist jedoch nach wie vor ein Verfahren gegen Parteichef Heinz-Christian Strache wegen Falschaussage. (dpk-krie)