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HINTERGRUND / FILM / „MIIO“
13/12/11 Im Masterstudiengang MultiMediaArt 2009 der FH-Salzburg denkt man nicht nur über die Möglichkeiten der neuen Medien nach, sondern auch über mögliche Gefahren. Der Film „MIIO“ hat am Donnerstag (15.12.) Premiere im Mozartkino: Die verführerisch-böse Fratze von social media.
Von Reinhard Kriechbaum
Die vier Buchstaben stehen für „My identity is open“. Das Handwerkszeug: der MIIO, ein Foto-Handy mit Gesichtserkennung. Die Technologie im Hintergrund: Auf der Basis des einmal erkannten Gesichts werden die unterschiedlichsten Datenbanken ausgewertet und miteinander verknüpft. Ist das Gegenüber gescannt, dann weiß der Besitzer des Wundergeräts in Sekundenschnelle alles über sie oder ihn, über Lebensumstände, Vorlieben, Gewohnheiten. Auch Gesundheitsdaten und sogar das Vorstrafenregister werden blitzartig abgefragt. Besitzern des MIIO bleibt nichts verborgen. Datenschutz und Privatsphäre wirken wie Relikte längst vergangener Tage.
Der Protagonist im Film schwärmt zuerst von den Möglichkeiten, aber dann wird er zum Opfer. Es reicht ja eine Kleinigkeit, und die ominösen Schnittmengen-Werte sinken. Man wird geschnitten von den anderen MIIO-Teilnehmern, denn die halten es so wie Damian, die Hauptfigur: Warum sich überhaupt einlassen mit einem Menschen unter einem imaginären Sympathiewert von 70? Und wer nicht mittut im MIIO-Karussell ist sowieso draußen aus dem sozialen Netz. Der hat sicherlich etwas zu verbergen…
Der Film MIIO ist ein Produkt eines so kreativen wie hypothetischen High-Tech-Gedankenflugs, Abschlussprojekt von Studierenden aus dem Masterstudiengang MultiMediaArt 2009 der FH-Salzburg: Das Gerät MIIO gibt es zwar nicht, aber auf einer Website, die einer professionellen Produktankündigung „im echten Leben“ täuschend ähnlich sieht, erfahren wir, wie eine solche Wunderwaffe in Sachen Menschen-Durchleuchtung aussehen könnte. Wie ein harmloses Smartphone eben. Das Fatale: So utopisch mutet die Sache gar nicht an, und prompt wissen die Studenten von Anfragen zu berichten: Es gäbe genug Leute, die ein solches MIIO sofort kaufen würden.
„Das Ziel des Werkes ist eine Sensibilisierung für die vielen zum Teil bedenklichen Prozesse, die unsere Gesellschaft seit dem Aufkommen neuer, zunehmend vernetzter und elaborierter Technologien und Systeme, durchdringen“, erklärt Georg Pircher Verdorfer. Er hat Regie geführt, mit im Team dieses aufwändig gestalteten Films waren Jakub Sproski, Regina Demmel, Melanie Hametner, Nick König und Raimund Held. „MIIO ist als kritischer Blick in die nahe Zukunft zu verstehen.“
Die Gruppe von Fachhochschulstudenten hat sich nicht mit Gedankenspielereien begnügt, sondern Fachleute zum Thema befragt. Sie kommen ausgiebig zu Wort und erklären Möglichkeiten und Gefahren von social networking. Ihre Statements sind eingeschnitten in den Spielfilm, der in seinem rasanten Design auch spiegelt, dass unsere Sinne eigentlich nicht ausreichen, um mit der Einschätzung virtueller Datenverknüpfung mitzuhalten.
An der Tendenz zum Überwachungsstaat basteln die Überwachten nur zu willig mit: „Nie zuvor standen dem Einzelnen derart viele Möglichkeiten zur Verfügung, um sich selbst medial zu inszenieren. Aufmerksamkeitsmärkte wurden geschaffen, in denen ständige Identitätsarbeit und Selbstoptimierung zu unabdingbaren Prämissen erhoben wurden. Menschen sind zu Bekennern geworden, die auffallen müssen, um in einer neuen Bekenntniskultur nicht zu Außenseitern zu werden.“
„Im Rahmen unserer Kenntnisse, Rechte und Möglichkeiten ist es uns nach heutigem Stand (noch) nicht möglich das Gerät MIIO real zu entwickeln“, erklärt Georg Pircher Verdorfer. „MIIO ist daher als ein virtuelles Kunstprodukt (Fake) zu verstehen.“ Ein schwacher Trost.