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Ein Universalist des Sinnlichen

TODESFALL / HERMANN NITSCH

19/04/22 Wohin geht man im Bundesland Salzburg, wenn man viele Bilder von Hermann Nitsch sehen möchte? Ein origineller Ort ist die Sauna im Hotel Krallerhof in Leogang. Dort hängen gleich sieben Schüttbilder des Altmeisters, der am Ostermontag (18.4.) im Alter von 83 Jahren gestorben ist. Eine persönliche Erinnerung.

Von Reinhard Kriechbaum

Schüttbilder. Das ist das, was blieb von den mehrtägigen Events im Schloss Prinzendorf, vom Orgien-Mysterien-Theater, das ihn früh schon zum Gottseibeiuns machte, nicht nur für die Tierschützer. Die quasi liturgische Inszenierung, der Umgang mit Gegenständen, wie sie die katholische Kirche verwendet – Hermann Nitsch bot genügend Angriffsflächen. Dem Schreiber dieser Zeilen ist eine Fernsehdiskussion in Erinnerung, Hermann Nitsch gegen Weihbischof Kurt Krenn. Ein Fundamentalist der ganzheitlichen Kunst und der Sinnesfreuden gegen einen Fundamentalisten der Religion – und auch dieser war den Sinnesfreuden nicht abhold. Selten zwei so gleichgestimmte Erzfeinde erlebt.

„Nitsch war ein Gesamtkünstler zwischen Aktionismus, Ritus, Mysterium und Literatur“, sagt die Kultursprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, in einem Nachruf auf den wohl bekanntesten Vertreter des Wiener Aktionismus. In den frühen 1960er Jahren entstanden die ersten Schüttbilder. Von Anfang an polarisierten die Aktionen des Hermann Nitsch. Nach mehreren Gefängnisaufenthalten übersiedelte Nitsch vorübergehend nach Deutschland. Dem Erfolg des Orgien-Mysterien-Theaters tat dies keinen Abbruch, im Gegenteil.

Nach Aktionen in den USA und Europa kehrte Nitsch wieder nach Österreich zurück und verwirklichte bis zu sechs Tage lange Spiele mit Lärm-Orchestern und Schrei-Chören in seinem Schloss in Prinzendorf. „Ob die Schüttbilder, die Blutorgel, seine Teilnahmen an der documenta oder die berühmten Orgien-Mysterien-Theaterspiele: Nitsch brannte sich wie kein anderer in das kollektive Gedächtnis und den heimischen künstlerischen Kanon des 20. und 21. Jahrhunderts ein“, so Eva Blimlinger.

Wir blenden elf Jahre zurück, 2011, ins Hotel Krallerhof. Da war Hermann Nitsch nicht nur Gast in Leogang, sondern der Hauptdarsteller. Nitsch in der Krallerhof-Sauna, da musste man schmunzeln, er selbst wohl am allermeisten. „Natürlich ist das nicht meine Welt“, sagte er. Aber an Ironie fehlte es ihm ja nicht, und so meinte er über die Wellness-Landschaft im Krallerhof: „Es muss die schönste sein, weil keine andere hat einen Nitsch-Raum.“

Von Kokoschka und dessen „Schule des Sehens“ hat er damals in Leogang erzählt. Für ihn, der selber viele Jahre an der Sommerakademie in Salzburg unterrichtet hatte, sei das „eine „Schule der Sinne“ gewesen. „Die fünf Sinne sollen durch künstlerische Tätigkeit motiviert werden.“ Er mache ja im Allgemeinen seine Ausstellungen gerne selbst, fügte er an, „damit ein sakraler Raum entsteht“. Aber mag schon sein, dass Wellness ja auch so etwas wie religiösen Charakter hat heutzutage. „Ich empfinde es als eine Berührung verschiedener Welten, die hier möglich ist. Es kommt drauf an, dass man das Sein ganz intensiv spürt“, so der Sinnen-Mensch Hermann Nitsch. „Ich bin gerne berauscht. Aber alle, die mich näher kennen, wissen: Ich bin kein Alkoholiker.“ Und Nitsch über seine niederösterreichische Herkunft:„Bei uns gibt es Straßen der Lust, die Kellergassen.“

Wie kam damals eigentlich der Hotelier Gerhard Altenberger auf Nitsch? Es war persönliches Interesse und ein guter Draht ins Schloss Prinzendorf. Drei Wochen im Mai 2009 war Nitsch mit zwanzig Assistenten am Werk, seine 56. Malaktion. „Ich war der erste, der aus den 106 Werken auswählen durfte, noch vor renommierten Sammlern wie Essl“, erzählte Gerhard Altenberger nicht ohne Stolz. Und Nitsch: „Ich habe gehört, dass da jemand viel gekauft hat, hab mich aber nicht weiter drum gekümmert.“ Für's Verkaufen war und ist bis heute der Salzburger Michael Karrer (damals Leiter der Galerie Weihergut) zuständig. Das ist eine weitere Salzburg-Connection zu Nitsch. Michael Karrer war 2009 Gründungsdirektor der Nitsch Foundation in Wien, er ist einer der maßgeblichen Nitsch-Versteher und -Verkäufer.

Übrigens: 2011 hat Hermann Nitsch hat es im Mozarteums-Foyer auch eine kleine Ausstellung mit Partituren gegeben, und damals improvisierte Nitsch auch an der Orgel im Großen Saal. Nein, kein „Musiker“, ein Sinnen-Universalist.

Bild: dpk-klaba

 

 

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