Holunderholz und Berberitze
IM PORTRÄT / ARNO WATTECK
01/09/21 Vom Brotberuf her war Arno Watteck Oberforstinspektor im Lungau. Sein Herz aber schlug für die Volkskunde, die Heimatforschung und den Denkmalschutz. Und weil er während seiner Studienzeit in Wien auch in einer Kunsttischlerei arbeitete, hat er das nötige handwerkliche Können, um Möbel und bäuerliche Gerätschaften zu restaurieren.
Am Dienstag (31.8.) war der 95jährige Arno Watteck Gast in einem Akademischen Wirtshaus im Haus der Volkskulturen in Salzburg veranstaltet von der Leopold-Kohr-Akademie. Er ist einer, der wirklich ganz viel zu erzählen hat. Ohne ihn sähe die Museumslandschaft im Lungau wohl anders aus: 1960 gründete er den Museumsverein Tamsweg und übernahm die Leitung des damals neu gegründeten Bezirksmuseums (des heutigen Heimatmuseums). Er war außerdem Mitinitiator des Lungauer Landschaftsmuseums in der Burg Mauterndorf und leistete wichtige Beiträge zur Gründung des Hochofenmuseums in Bundschuh. Diese Anlage rettete er sogar vor der Demolierung bzw. Abtragung, indem er das Denkmalamt überzeugte, dass der Hochofen Bundschuh eines der ersten Zeugnisse für die Industrialisierung im Lungau sei.
Das Sammeln und Ausstellen war ihm sozusagen in die Wiege gelegt: Seine Mutter Nora Wattek war nicht nur dabei, als 1932 die berühmte keltische Schnabelkanne auf dem Dürrnberg ausgegraben wurde. Vor allem machte sie sich um die Wiedereinrichtung der Kunst- und Wunderkammer im Dommuseum verdient.
Kein Wunder also, dass der 1926 in Salzburg geborene Arno Watteck einen Sinn für Dinge hatte, die ins Museum gehören. Durch seine Arbeit als Forstinspektor kam er zu vielen Bauernhöfen und verstand gleich, dass die alten Einrichtungsgegenstände oder Gerätschaften als volkskulturelle Schätze bewahrt werden müssen. So sicherte er manch wertvolles Stück vor dem Abtransport durch fahrende Händler.
Das Herz blutete ihm, wenn er sah, wie manches alte Stück einfach lackiert wurde. Im Lungau gab es vor 1700 hauptsächlich gezimmerte Blankholzmöbel ohne Farbe (die uns vertrauten bemalten Bauernschränke sind eine spätere Erfindung). Manche Stücke wurden mit einer Mischung aus Ochsenblut und Galle gestrichen, um ihnen etwas Farbe zu verleihen, vor allem aber, um sie vor Schädlingen zu schützen. Als Versiegelung wurde verdünntes Leinöl eingesetzt, was die Möbel wasserabweisend, witterungs- und schmutzbeständiger machte. Das Leinöl wurde aus den reifen Samen des Flachs gepresst, die bei der Flachsverarbeitung in den Lungauer Brechelgruben gewonnen wurden.
Bei seinen Restaurierungen bemühte sich Arno Watteck um den Einsatz natürlicher Materialien und Arbeitsweisen. Sein Credo war stets, die Natur zu beobachten und zu verstehen, und von alten Handwerkern ursprüngliche Techniken zu erfragen. So erfuhr Arno Watteck, dass Werkzeug-Griffe oft aus Holunderholz hergestellt wurden, da man davon keine Schwielen und Blasen bekommt. Rechenzähne wurden aus dem Holz der Berberitze angefertigt, weil es sehr hart, zäh und elastisch ist und so der Belastung besser standhält.
Arno Watteck war jahrzehntelang Mitglied der Ortsbildschutzkommission für den Lungau und wurde für einige Perioden zum „Ehrenkonservator“ des Bundesdenkmalamtes ernannt. Ein besonderes Anliegen waren dem Denkmalschutzbeauftragten demnach auch die Erhaltung und Restaurierung der historischen Troadkästen und Wetterkreuze.
Das Akademische Wirtshaus geht auf eine Idee des Salzburger Philosophen und Alternativen Nobelpreisträgers Leopold Kohr aus dem Jahr 1970 zurück. Das Ziel: einen aktiven Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu beleben. Heuer feiert die Leopold-Kohr-Akademie ihr 35-Jahre-Jubiläum.
„Leopold Kohr erzählte oft, wie mühevoll es war, bei seinen Vorträgen die Studierenden nachhaltig zu erreichen“, erinnert sich Christian Vötter vom Verein Tauriska, der mit Susanna Vötter-Dankl die Leopold-Kohr-Akademie seit der Gründung 1988 leitet. „Als er seine Vorlesungen in ein Bauernhaus und in ein Wirtshaus verlegte, war es plötzlich ganz anders. Der Unterricht wurde lebhaft, es entstanden Ideen, Projekte, Kooperationen und Freundschaften.“ Wenn Arno Watteck ins Erzählen kommt, braucht man keine Sorge zu haben, dass das an den Ohren der Zuhörer vorbei geht.
(Landeskorrespondenz/Biosphärenpark/dpk-krie)