Haargenau?
MUSEUM DER MODERNE / EVAN PENNY
05/01/12 Die Skulpturen von Evan Penny machen schwindlig. Realistisch bis zum feinsten Härchen im Nasenloch, sind es doch "Aliens" - wegen der raffinierten perspektivischen Verzerrungen und Verstauchungen, die die Körper oft bis zur Unkenntlichkeit verfremden. "Re Figured" ist der Titel der ersten Werkschau Evan Penny in Europa im MdM Mönchsberg.
Von Heidemarie Klabacher
"Farbecht und haargenau stellen Evan Pennys Plastiken in höchster Präzision und Detailschärfe menschliche Körper mit all ihren physiognomischen Eigenheiten und individuellen Merkmalen dar." Stimmt genau! Da wird nichts beschönigt: Ein altes Gesicht ist ein altes Gesicht. Ein nackter Mann ist ein nackter Mann. Trotzdem...
Trotzdem umkreist man die Skulpturen - bei den meisten ist das mit gebotener Vorsicht möglich - und kommt ihnen nicht auf die Schliche.
"Durch Verfremdungseffekte wie Stauchungen, Streckungen, Verdrehungen, Verzerrungen oder Farbfehler entstehen der Zweidimensionalität entwachsene Skulpturen, dreidimensionale Bildnisse, die wie fehlerhafte Vierfarbdrucke in Erscheinung treten oder gar verzerrte Skulpturen, die in die vierte Dimension der Zeit vordringen."
Versuchen wir es einfacher. Man steht etwa direkt vor einer Skulptur - die aber so modelliert ist, als blicke man von oben auf sie hinunter. Die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Perspektiven sorgt für diese Verwirrung. Da kommt man aber erst nach einiger Zeit drauf. Oder: Man steht vor einer Porträtbüste aus handfester "Materie" (Silikon) - die trotzdem wirkt, wie ein 3D-Fernsehbild, das man ohne Brille anschauen muss.... Wirklichkeit und Imagination, Realität und Medienwelt sind nicht mehr zu trennen.
„Ich versuche meine Skulpturen irgendwo zwischen zwei unterschiedlichen Weisen der Wahrnehmung unserer selbst anzusiedeln, der Wahrnehmung in Raum und Zeit sowie der Wahrnehmung mittels medialer Bilder“, sagt der 1953 in Südafrika geborene kanadische Künstler über seine Figuren: "Sie konfrontieren uns mit den Deformationen des Menschenbildes unseres Medienzeitalters."
Die in Kooperation mit der Kunsthalle Tübingen realisierte Werkschau im MdM Mönchsberg ist die bislang größte Überblicksausstellung Pennys und seine zugleich erste Einzelausstellung in Europa. Gezeigt werden 40 Exponate von 22 Leihgebern aus Deutschland, der Schweiz, Italien, Großbritannien, Kanada und den USA. Nach den Präsentationen in Tübingen und jetzt in Salzburg wird die von Veit Ziegelmaier kuratierte Ausstellung auch im Museo delle Arti Catanzaro, Italien und in der Art Gallery of Ontario in Pennys Heimatstadt Toronto in Kanada zu sehen sein. Zur Ausstellung ist ein Katalog mit Texten von Alberto Fiz, David Moos, Daniel J. Schreiber und Veit Ziegelmaier erschienen.