Ein Stoff für erfindungsreiche Skulpturen
GALERIE IM TRAKLHAUS / KERAMIKPREIS
22/04/10 Da kann man freilich staunen über etwas, was man sich eigentlich so recht nicht vorstellen kann: Charlotte Wiesmann hat in einem Schriftzug aus Keramik die österreichischen Staatsschulden „in Worten“ ausgedrückt. Die sorgsam ausgeschriebene Zahl nimmt fast eine ganze Wand ein, obwohl manche Wortfolgen zusammengestaucht sind.
Von Reinhard Kriechbaum
Und dabei war die Keramikerin - eine von fünfzehn Künstlerinnen und Künstlern in der neuen Ausstellung in der Landesgalerie im Traklhaus - noch gar nicht auf jenem Stand, der eben heute in den Medien kolportiert wird: Zweihundert Milliarden Euro. Aber wir wollen hier nicht von Geldmangel reden, sondern vom Gedanken-Reichtum. Und davon, dass sich das Land auch in nicht ganz so guten Zeiten so etwas Exotisches leistet wie den alle drei Jahre österreichweit ausgeschriebenen Keramikpreis. Mit 6.000 Euro ist er dotiert, und außerdem gibt es zwei Stipendien zu je 2.500 Euro.
„Keine Häferlmacher oder Hobbykeramiker“ kämen für diese Auszeichnungen in Frage, betont Dietgard Grimmer, die Leiterin der Landesgalerie. Aus den knapp vierzig Einreichungen hat die Jury fünfzehn ausgewählt, und aus diesen fünfzehn wird im Lauf der Schau nochmal gesiebt. Am 1. Juni wird der Keramikpreis dann vergeben, und bis dahin wird es auch ein Katalogbuch geben.
Keramik ist ein attraktiver Werkstoff, wie sich zeigt. Tanja Fuchs hat aus unglasiertem roten Ton Porträtköpfe gemacht, die bizarr aussehen wie von Franz Xaver Messerschmidt erdacht. Sie stehen aber Zerrspiegeln gegenüber – und im Spiegelbild entpuppen sie sich als lebensnahe Porträts!
Ingrid Stanzer, eine von drei Salzburgern in der Runde (neben Eren Akinola und Doris Schmidlechner) haben es die Hirschgeweihe angetan, die Jagd-affine Menschen gerne an die Wand hängen. Mit einer gehörigen Portion Ironie bildet sie solche Trophäen in Keramik nach und verfremdet sie dann nochmals. Einer scheint nicht über Wild, sondern über Schwammerl gestolpert zu sein. Und ein anderer hat das Geweih mit Christbaumkerzen geschmückt. An der „Großen Trophäenwand“ hängen die abstrusesten Dinge, die Lachen machen.
Die Glasur ist immer eine Herausforderung. Johann R. Rainer macht plane Plastiken, die ihre matt-schwarze Oberfläche deshalb bekommen, weil die tausend Grad heißen Objekte unmittelbar nach dem Brennen mit Sägespänen bestreut werden. Das ist angeblich eine uralte Technik. „Drechsler“ heißen drei glatte stelenartige Skulpturen von Silvia Siegl, die vielleicht auch an Keramik-Isolatoren von Hochspannungsleitungen erinnern sollen. Überhaupt: Die Paraphrase, die Form- und Materialumdeutung ist für viele Keramiker ein ergiebiger Ansatz. Isabella Primos' Objekte sehen aus, als ob sie gerade von einem Taucher vom Meeresgrund geholt wären.
Es sind eigentlich Dosen, man kann sie aufmachen und findet in ihnen weitere keramische Stücke, die an Bändern befestigt sind. Der Weg der Steirerin zur Kunst-Keramik mag für andere auch typisch sein: Zuerst hat sie Gefäße getöpfert, auch einige Jahre im Bereich Industrie-Keramik gearbeitet. Aber jetzt ist der Werkstoff für sie eben ein Material, um Skulpturen zu schaffen – und das sei für sie eine große, einschneidende Entwicklung gewesen, erzählt sie.