Den Baum vor lauter Säulen sehen
KUNST-LITFASS-SÄULEN
30/07/20 Im Volksgarten sitzen und Bäume schauen! Sollte man auch öfter! Beinah schon Mimikry betreibt der Typ, der da so seelenruhig auf seinem Sessel sitzt und ins Grün schaut. Ein Gegenüber, wie auf der Säule, bring'ts im realen Raum freilich nicht, man sieht ihn oder sie ja nicht, ist ja die Säule dazwischen. Vielleicht herum-telefonieren...
Von Heidemarie Klabacher
Da heißt es immer, die Malerei sei tot! Und dann gibt es junge Leute, die die Kunst des Pflanzen-Aquarells pflegen – überdimensional, mitten in der Stadt und doch nicht weniger feinsinnig als in Pflanzenbüchern seit Jahrhunderten. Die Übertragung winziger Blümlein ins Großformat ist so poetisch wie witzig. Angstfreie Begegnung mit Kunst garantiert.
Ein Zimmer mit Aussicht, ist nicht ohne Weitblick. Sind die Kunst-Litfaß-Säulen, die meisten stehen entlang der Salzach-Kais, dieses Jahres tatsächlich von besonderem Reiz? Der Hang zur „reinen“ Malerei fällt auf, heraus sticht aber auch ein besonders deutliches Statement: „Für viele ist nicht nur das Papier knapp geworden“, heißt es auf dem litfaßsäulen-großen „Kartonkern“ einer leeren Klopapierrolle.
Gegeneinander verschobene Versatzstücke von Oberleitungen der so gemächlich wie selten verkehrenden Salzburger Öffis gehören zu jenen immer effektvollen Sujets, die (wie etwa Karten der Stadtberge) aus dem prallen Stadtleben genommen sind. Sie machen im Säulen-Genre besonders viel her.
Eine gar nicht ironisch daherkommende Hommage an die Stille ist heuer auch dabei: Eine Litfaß-Säule umkleidet mit Noppen-Dämm-Material spricht Bände von Ruhe, vielleicht aber auch von Isolation.
Insgesamt 15 künstlerisch gestaltete Litfaßsäulen zieren – dieses Jahr passt dieses Wort irgendwie besonders gut – von 30. Juli bis 30. August den Stadtraum. Hintergrund: Seit 2014 gibt es den Wettbewerb „Kunst-Litfaßsäulen“ von der Kulturabteilung der Stadt Salzburg, dem Kunstbeirat und der Firma Progress Werbung (die ja von Berufs wegen auch Litfaßsäulen auf dem Radar hat). Seit 2015 ist auch das Land Salzburg eine tragende Säule.
15 Projekte wurden heuer ausgewählt, mehr als je zu vor. Umgesetzt werden die eingereichten Arbeiten auf klassischen analogen Plakatsäulen, drehbaren City-Light-Säulen oder digitalen City Lights für bewegte Bilder. Jede Arbeit wird mit je 1.000 Euro prämiiert, die Herstellung und Umsetzung übernimmt die Progress Werbung, die auch ihre eigenen Standorte zur Verfügung stellt.
Offizielle Präsentations-Radtour zu den einzelnen Objekten war heute Donnerstag (30.7.). Begonnen habe man 2014 mit vier Werken, erinnert Dagmar Aigner die stellvertretende Leiterin der Kulturabteilung. Angesichts der Corona-Situation war es den Verantwortlichen ein besonderes Anliegen, Arbeits- und Präsentationsmöglichkeiten für Salzburger Künstlerinnen und Künstler zu bieten.
Für die rege Beteiligung und die „immer wieder höchst unterschiedlichen Herangehensweisen an das Medium Plakatsäule in einer öffentlichen Umgebung“ dankte Werner Thuswaldner, der Vorsitzende des Kunstbeirats. „Es ist jedes Jahr erstaunlich, was für eine lebhafte Resonanz die Ausschreibung zum Litfaßsäulen-Wettbewerb auslöst.
Das Thema ist noch lang nicht ausgereizt.“ Künstlerinnen und Künstler würden in „dem alten, aber keineswegs veralteten Medium der Litfaßsäule“ die Chance erkennen, „ein immenses Publikum zu erreichen“. „So wie das mit einer Ausstellung in geschlossenen Räumen wegen der Schwellenangst niemals möglich wäre.“
Auch Fred Kendlbacher, Geschäftsführer der Progress Werbung Salzburg, stellt der Litfaß-Säule auch in ihrem 165. Jahr ein Aktualitätszeugnis aus und ist stolz darauf, „dass es trotz widriger Umstände gelungen ist, diese Aktion für ein freies geistiges Klima in Salzburg auch heuer umzusetzen“.