Vollwärmeschutz gegen Kunst
HINTERGRUND / KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM
11/01/18 Kunst im öffentlichen Raum hat es nicht immer leicht. Im besten Falle wird sie nicht beachtet, im schlechtesten Falle beschmiert, beschädigt oder zugedämmt. Aber auch der öffentliche Raum hat es mit der Kunst nicht immer leicht. Viel Seltsames steht nicht nur in Kreisverkehren herum.
Von Heidemarie Klabacher
Mit einem Reiterstandbild wollte seinerzeit irgendwer auf sich selbst und seine Verdienste aufmerksam machen. Repräsentation war schon immer ein Hauptgrund für „Kunst im öffentlichen Raum“. Freilich haben sich weder Mozart noch Schiller ihre heroischen Kitsch-Figuren auf dem Mozartplatz und im Furtwänglergarten „verdient“. Da hat sich jeweils irgendwer auf Kosten Größerer wichtig gemacht. Nur stehen Schiller wie Mozart als Künstler im Wortsinn auf ihrem „Podest“ und niemand denkt nach über die Qualität irgendwelcher bronzener Schinken aus dem vorvorigen Jahrhundert.
Eher schon stößt man sich an Exponaten wie etwa der Ballerina auf dem Rosenhügel (steht die da überhaupt noch?), welche auf die Nase fallen müsste, wäre sie aus Fleisch und Blut, so unorganisch ist die Pose, oder an den knochenlosen Radfahrer nahe Makartsteg. Es gibt Kreis-Radler, die pfiffiger sind. Etwa im Kreisverkehr Gosau.
Über die Frage der künstlerischen Qualität hinaus, gibt es zahlreiche Facetten der Betrachtung von Kunst im Öffentlichen Raum. Diesen widmet sich die aktuelle Ausstellung in der Stadtgalerie in Lehen: „Viele Kunstwerke entstanden im Zusammenhang mit Wiederaufbau, sozialem Wohnbau, mit Schulbauten oder, wie etwa Kriegerdenkmäler, im Umfeld von Erinnerungskultur oder Gedenken“, sagt Gabriele Wagner von der Stadtgalerie Lehen. Solche Kunstwerke seien Träger einer Stadtkultur und würden trotzdem häufig kaum wahrgenommen: „Oft wird dieses Kulturerbe schlicht und einfach vergessen.“
Es gebe in der Stadt Salzburg „geglückte Beispiele“, wie etwa Papagenobrunnen und Nilpferdbrunnen von Hilde Heger oder das Rehrldenkmal am Max Reinhardtplatz von Jakob Adlhart und Hans Pacher (welches im Festspielsommer gerne in performative Installationen mit Übertragungswagen integriert wird, Anm.). Aber auch für Geglücktes fehle häufig „Wille, Zeit, Geld und Wissen, um Lösungen für einen Verbleib, eine Erhaltung und eine weitere Sichtbarkeit der Werke zu entwickeln“.
Dieser Problematik widmet sich die Ausstellung Salzburg. Kunst im Stadtraum 1945 – 1975. sichtbar – verborgen – verloren. Die Verantwortlichen verstehen die Schau nicht nur als eine Dokumentation, sondern auch als „Projekt der Sichtbarmachung und des Diskurses über die Gegenwart eines Kapitels der jüngeren Kunstgeschichte in Salzburg“.
Die Ausstellung umfasst Kunstwerke von Friedrich Inhauser, Wilhelm Kaufmann, Alois Lidauer, Josef und Rosita Magnus, Eva Mazzucco, Hans Pacher, Max Rieder, Lucas Suppin und Karl Weiser. Sie stellt aber auch Fragen wie: Wie lange müssen Kunstwerke erhalten bleiben? Was geschieht mit den Überresten? Welche Auswirkungen haben Prozesse der Veränderung auf das kollektive Gedächtnis einer Stadt?
Dazu kommen aktuell fotografische Arbeiten von Rainer Iglar und Andreas Hauch, die „neue und ungewohnte Einblicke in Salzburger Stadtteile öffnen“.
Martin Hochleitner, der Direktor des Salzburg Museum, nannte bei der Eröffnung der Schau am Mittwoch (9.1.) ein Beispiel: „Letztlich war es kein Zufall, dass eine konkrete Verlustgeschichte in Salzburg den Ausgangspunkt dieser Ausstellung und des damit in Verbindung stehenden Buchprojektes markiert: Der Abriss eines Gebäudes in Lehen und die damit verbundene Zerstörung eines Sgraffitos von Friedrich Inhauser im Jahr 2015 waren Anlass für die Kulturabteilung der Stadt Salzburg, gemeinsam mit dem Salzburg Museum, dem Referat für Baugeschichte der Abteilung Stadtplanung und dem Bundesdenkmalamt eine verstärkte Bewusstseinsbildung für diese Kunst in der Stadt anzustoßen und sie als Kunstform und Ausdruck ihrer Zeit zu würdigen.“
Da ist es Inhauser immer noch besser ergangen, als etwa Lucas Suppin, dessen überaus reizvolle Reliefs eine Siedlung in Liefering im besten Sinne des Wortes zierten. Solange, bis diese – inzwischen Jahre her – für immer unter den Kunststoffquadern für den Vollwärmeschutz verschwanden. Ein Relief ist noch erkennbar unter gelber Wandfarbe. Die anderen sind völlig unter Dämmplatten verschwunden. Und kein Hahn hat je danach gekräht. Dort hätte sich ein Kunst am Bau-Verantwortlicher durchaus mit der Erfindung einer „Lucas Suppin-Siedlung“ vordrängen dürfen. Doch wie wäre das mit der Wärmedämmung, ob sinnvoll oder nicht, unter einen Hut zu bringen gewesen. Wer legt sich schon freiwillig mit dem Bauträger und den Bewohnern an? Die Geschlossenheit des Ensembles mit Siebzierjahre-Charme erzählt noch heute von städtebaulichen Zeiten, als die Architekten den Bewohnern noch Luft zum Atmen ließen. Seinen Supppin-Reliefs begegnete man völlig unverhofft, viele Bewohner werden sie nicht als „Kunst“ wahr- sondern für gegeben hingenommen haben. Und doch waren sie da - und eine Bereicherung.
Genau wie Gabriele Wagner sagt: „Kunst am Bau begegnet uns meist unvermittelt. Plötzlich ist sie da, mitten in der Stadt, und wir gehen an ihr vorüber. Anders als in einem modernen Museum sind Kunst-am-Bau-Werke üblicherweise weder isoliert noch gut ausgeleuchtet, die Autorenschaft spielt keine Rolle und still ist es ringsum selten. Doch möglicherweise liegt genau in dieser Situation eine der für heute wichtigsten Qualitäten von Kunst-am-Bau: Dass sie sich nämlich immer schon als zwar eigenständig, aber nicht ausschließlich autonom verstand, sie lag immer schon am Weg, war immer schon Teil eines größeren Zusammenhangs, eines Gebäudes, eines Parks, eines Platzes.“