Reich mir die Hand, mein Hamlet
MUSEUMSPAVILLON / OSKAR WERNER
29/06/18 „Die Ausstellung im Museumspavillon reflektiert den Kult um Oskar Werner“, sagt Gabriele Wagner, Leiterin der Stadtgalerie. „Sie visualisiert den gesellschaftlichen Kontext und die Bedingungen, denen Oskar Werner ausgesetzt war und ermöglicht so eine neue Begegnung mit dem Künstler, abseits des klischeehaften Mythos.“
An Mythenbildungen fehlt es nicht, denn Oskar Werner rechnete zweifellos zu den schillerndsten Schauspielerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Eine außergewöhnliche Ausstellung also in der Stadtgalerie im Museumspavillon: Die Leihgaben aus dem Archiv von Robert Dachs, Biograph und Freund des Schauspielers, sind fast ausschließlich Exponate aus dem persönlichen Besitz des Künstlers. Sie sind in Bezug gesetzt zu zwei lebensprägenden Rollen – Oskar Werner in der Titelrolle des Mozart-Film „Reich mir die Hand, mein Leben“ und als Hamlet.
Mit Oskar Werner als „Wolferl“ Mozart in Karl Hartls 1955 gedrehtem Film wurde auch ein überzeitliches Bild des Salzburger Genius Loci jenseits der historischen Fakten erschaffen – Mozart als armes, glückloses und verkanntes Genie –, das in Österreich von mehr als einer Generation aufgesogen und weitergegeben wurde. Ganz ähnlich übrigens, wie es sich mit Ernst Marischkas zeitgleich entstandener Sissi-Trilogie verhält, wo ebenfalls das Zusammenspiel von Schauspielerpersönlichkeit, historischer Figur und Zeitgeist ein prägendes Geschichtsepos entstehen ließ. Der hochsensible Oskar Werner verkörpert das Genie Mozart aus seiner eigenen komplexen Identität heraus, sodass die Grenze zwischen beiden Persönlichkeiten verschwimmt.
Bei Hamlet, wo diese Vermischung ebenfalls stattfindet, kehrt sich der Verlauf um. Oskar Werner schlüpfte nicht nur auf Zeit in die Rolle des Hamlet; er stülpte sich die Identität dieser Figur wie eine zweite Haut bis an sein Lebensende über. Zum ersten Mal studierte er den Hamlet 1953 für die Städtischen Bühnen Frankfurt ein, spielte ihn dann 1956 am Theater in der Josefstadt, 1958 auf der Theatertournee „Der grüne Wagen“ und schließlich 1970 bei den Salzburger Festspielen. In dieser Produktion gab Werner nicht nur die Titelrolle, sondern war er auch der Regisseur. übernahm.
Das Hamlet-Zitat „A Qintessence of Dust“ (Hamlet zu Rosencrantz, 2. Akt, 2. Szene) im Titel der Ausstellung verweist auf diese starke Verschränkung seiner Person mit der Figur des Hamlet, auf die Oskar Werner selbst Zeit seines Lebens immer wieder hingewiesen hat. „Die Parallelität zwischen Kunst und Leben, die Forderung der Moderne, das Private öffentlich zu machen, lässt sich auch bei vielen bildenden Künstlern, Literaten und Komponisten des 20. Jahrhunderts als fundamentale Prägung erkennen“, so die Kuratorin Renate Wagner.
Galerieleiterin Gabriele Wagner und der Philosoph und Kulturhistoriker Nikolaus Kohlberger, die die Ausstellung gemeinsam konzipiert haben, verknüpfen die persönlichen Hinterlassenschaften Oskar Werners mit wesentlichen gesellschaftspolitischen Fragestellungen der Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Einzelne Exponate werden überhöht und repräsentieren Themenfelder wie Männlichkeit und Antiheld, Selbstdarstellung und Stimme, Starkult, Mutter und Familie, Krieg und Heimatverlust, Ophelia und die Liebe, Hingabe, Tod und Scheitern. Zeitungsartikel und Texte von Tucholsky, Karl Kraus, Neil MacGregor, Steven Greenblatt. Robert Dachs und Shakespeare führen den kulturhistorischen Exkurs weiter, lassen die gesellschaftliche Relevanz erkennen. (InfoZ)