Verwobene Bilder aus den USA und Bulgarien
STADTGALERIE LEHEN / BERNHARD GWIGGNER
04/05/18 Schwarz und Gold auf transparentem Papier, gefühlvoll ineinander eingearbeitet. In Bernhard Gwiggners neuer Ausstellung „Rhizomatische Erkundungen“ in der Stadtgalerie Lehen erwartet die Besucher eine großartige kulturelle Gegenüberstellung.
Von Paula L. Trautmann
Im Hintergrund der goldene Himmel, am linken Bildrand ein Flugzeug, aus dem Passagiere in einen Shuttlebus umsteigen. Die Zeichnung zeigt den Beginn eines „Artist in Residence“-Aufenthalts in Bulgarien, dem ärmsten Land der Europäischen Union. Bernhard Gwiggner beschäftigte sich mit Klischees, Stereotypen und Ikonen. „Der Ex-Kommunismus ist nach wie vor sichtbar“, so der Künstler. Eine goldene Statue, die ihre Hände in den Himmel reckt, nur eines der Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit. Sowohl im Kommunismus, als auch in der orthodoxen Religion stünden Ikonen im Vordergrund. Das vermitteln auch die Zeichnungen, auf denen Glaubensträger, eine prächtige orthodoxe Kirche, Schilder in kyrillischer Schrift und im Gegensatz dazu wieder ganz alltägliche Szenen, wie zwei Kleinbauern beim Zersägen eines Baumes, zu sehen sind. Diese Abwechslung und Gegenüberstellung schafft äußerst spannende Blickwinkel.
„Die bulgarische Kultur wahrnehmen, registrieren, zeichnen, Verknüpfungen suchen, Verschiebungen zeigen, Korrespondenzen finden“, das wollte Gwiggner. Seine Wahrnehmung ist außergewöhnlich, das zeigen auch die von ihm ausgewählten Zitate und Textstellen. Sie verschaffen dem Zusammenspiel aus schwarz-goldenen Zeichnungen noch einmal eine ganz andere Tiefe. Als „knallharte Texte und fast Mafia-mäßig“ bezeichnet der Künstler die Passagen zum Teil. Genau diese Kontroversität ist das Tüpfelchen auf dem „i“.
Ein altes Herrenhaus, ein Wasserturm und das weite Land – Gwiggners Umgebung bei einem weiteren „Artist in Residence“-Aufenthalt im Anderson Center in Red Wing, Minnesota. Dabei setzte er sich der Fragestellung auf die Spur, ob und wie sehr europäische und amerikanische Kulturen Ähnlichkeiten aufweisen. Über die dort entstandenen Transparente zieht sich ein roter Faden, er stellt eine Zeitlinie und die leicht hügelige Landschaft dar. Nach und nach entwickeln sich die Themen, von der Ankunft im Haus und dessen Erkundung, dem Fund eines echten „Picassos“ bis hin zur Beschäftigung mit Rassismus, Überwachung und dem nahegelegenen Indianerreservates der Sioux. Jedes Thema in sich ist auf die ein oder andere Art so packend und irgendwie vereint mit den Anderen. Wie in einem Netzwerk scheinen die Themen ihren Weg zu finden und sich miteinander zu verweben, deshalb auch der Bezug zum „Rhizom“. Diese Zusammenhängenden Strukturen begeistern aufgrund ihrer besonderen Verflechtung.
Cowboy und Indianer, zwei Klischeebilder, die in den meisten Köpfen wohl ähnlich verankert sind. Das größte Werk Gwiggners zeigt amerikanische Zeitungen mit Lackstift überarbeitet und einer Installation aus zwei Figuren. Das gezeichnete rotierende Gestell mit Cowboy und Indianer war ein Element der Interviews mit anderen Künstlern, die in Red Wing waren. Sie erklären ihren persönlichen Bezug zu dem Thema „Cowboys and Indians“ und können auf vier Ipads betrachtet werden. Der Bezug bricht mit den Klischeevorstellungen und ist deshalb besonders interessant.
Gwiggner bringt den Kern seiner „Artist in Residence“-Aufenthalte auf den Punkt: „Es verknüpft sich Weltgeschichte mit lokaler und privater Geschichte.“ Die Zeichnungen und die darin aufgegriffenen Themen sind einerseits persönlich und doch betreffen sie die ganze Welt. Alles scheint in sich stimmig zu sein, die Ausstellung zeigt eine unglaublich spannende Verwobenheit.