Von der Leichtigkeit des Stahls
SALZBURG FOUNDATION / BERNAR VENET
21/05/10 „Warum immer suchen, was nicht im Werk drinnen ist? Warum immer Symbole suchen?“ Bernar Venet will seine Arbeiten nicht gedeutet haben. Was aber, wenn die tonnenschweren Skulpturen sich trotzdem mit unverschämter Leichtigkeit im hohen Gras zu wiegen scheinen?
Von Heidemarie Klabacher
2.500 kg. 10.000 kg. 7.500 kg. 11.000 kg: Die Arbeiten von Bernar Venet aus Korten- oder Walzenstahl sind beileibe keine Leichtgewichte. Dennoch drängen sie sich nicht auf. Im Gegenteil. Bei Nebel und Regen auf dem Krauthügel muss man sie schon beinahe suchen: Ein Objekt steht an der Brunnhausgasse, eins an der Fürstenallee, zwei sind nahe der Sinnhubstraße aufgestellt - und vier weitere entlang es Fußwegs quer über den Hügel.
Der zarte „63,5° Winkel“ wiegt gerade mal 1500 Kilo und wirkt fast verloren. Durch die Wickelungen und Windungen der „Three Indeterminate Lines“ ergeben sich erstaunliche Perspektiven und Durchblicke auf die an dieser Seite leicht geschwungene Außenmauer der Festung.
Diese Arbeiten sind natürlich nicht eigens für das dreimonatige Gastspiel auf dem Krauthügel gemacht worden. Über die Aufstellung der mehrteiligen Skulpturen hat man sich aber sehr wohl den Kopf zerbrochen: „Wir stellen sie nicht immer gleich auf“, betont Bernar Venet. Bei der Aufstellung werde improvisiert, auch bei der Schau auf dem Krauthügel habe man die Landschaft berücksichtigt. Mit dem Effekt etwa, dass die „Arcs in Disorder“ - aus dem rechten Blickwinkel von unterhalb der Hügelkuppe aus betrachtet - tatsächlich völlig unauffällig und biegsam zwischen den Grashalmen stehen.
Das derzeit kniehohe Gras auf dem Krauthügel ist Walter Smerling ein Dorn im Auge: „Man sieht ja nur achtzig Prozent der gesamten Höhe.“ Der Regen hat nicht nur das Mähen verhindert, sondern das gesamte Areal in einen Sumpf verwandelt. Aber bis 31. August wird es wohl auch Schönwetter-Perioden geben und dann wird man die Arbeiten wirklich umrunden und aus allen Perspektiven betrachten und „durchschauen“ können: Es ist tatsächlich reizvoll (auch bei gefühlten Minus-Graden), den Korrespondenzen in der Form von Kunstwerk und umgebender Landschaft nachzuspüren.
Dass die Arbeiten gar so weit voneinander verstreut liegen, irritiert nur kurz. Der Gesamteindruck wäre bei einer Konzentration auf kleinerem Raum vielleicht stärker, zu ihrer suggestiven Wirkung kommen die Bögen und Linien aber gerade dadurch, dass jedes Werk ganz allein steht und ungestört in „Dialog“ mit der Umgebung treten kann.
Die neunte Skulptur steht vor der Universität Mozarteum: Dadurch werde die Verbindung zwischen Innen und Außen, zwischen Stadt und Land, Natur und Kultur hergestellt: „Bernar, dieser intellektuelle Entertainer, hat sich nicht die Altstadt, das Zentrum, ausgesucht, sondern das Land, die Peripherie“, so Walter Smerling. Die Skulptur - für deren Aufstellung man mit Hilfe des Rektors Reinhart von Gutzeit innerhalb von nur 36 Stunden alle Genehmigungen bekommen habe - verbindet Innen und Außen. Auch bei der Aufstellung dieser Skulptur gestern Donnerstag (20.5.) habe er improvisiert, erzählte Bernar Venet. Der Kupferanteil im „Kortenstahl“, den er bevorzugt verwende, verhindert das Verrosten - und dass "irgendwann einmal nichts mehr übrig ist", von den Werken. Das Kupfer gibt ihnen auch die ganz typische Patina.