Andere Räume für eine andere Pädagogik?
ARCHITEKTENKAMMER / FLIEGENDE KLASSENZIMMER
12/05/10 Zwei Quadratmeter für jeden Schüler, drei für den Lehrer: so wenig Platz muss nicht sein. Die architektonische Planung von Schulen sollte mehr als pädagogische Legebatterien im Auge haben. Das zeigt eine Wanderausstellung, die gerade in der Salzburger Architektenkammer Station macht.
Von Wolfgang Richter
Von den klassischen gesellschaftlichen Institutionen haben sich in den letzten hundert Jahren zwei am wenigsten strukturell verändert: das Militär und die Schule. Bildungspolitische Diskussionen und innovative pädagogische Konzepte haben es bisher - abgesehen von Einzelfällen - noch nicht geschafft, die Anlage von Schulbauten zu verändern. Dem Zeitraster der Fünfzig-Minutenstunde entspricht weitgehend der starre Grundriss der Klassenräume. Und was schlimmer ist: Dieser wird noch immer Wettbewerbsausschreibungen zugrunde gelegt, obwohl es dafür keine rechtlichen Vorschriften gibt.
Diesem zwanghaften Unfug setzt das Projekt „Fliegende Klassenzimmer“ nicht nur eine Fülle von Ideen entgegen, es versammelt auch beispielhafte Konzepte aus Schulen, die sich aus diesem Korsett zu befreien versuchen. So möchte man Mut machen und Anregungen zur Veränderung geben. Antje Lehn, Christian Kühn und Renate Stuefer haben die interaktive Ausstellung entwickelt. . Alle drei sind aktiv in Prozesse der Architekturvermittlung eingebunden und zugleich ausgebildete Architekten.
Die Zukunft des Landes werde in den Schulen entschieden, so hört man aus der Bildungspolitik. Bildung braucht vielleicht gar nicht unbedingt mehr Raum, aber auf alle Fälle eine andere Nutzung der vorhandenen Fläche. Der starre Raumraster, der mehr einer Legebatterie ähnlich ist, muss flexibler werden, denn Schule wächst und lebt mit den Menschen, die sie benutzen.
Neu gebaute Schulen sind weniger das Problem als die Sanierung bestehender Gebäude. Denn dort konzentriert man sich meist auf die thermische Sanierung, was eine Festschreibung für die nächsten Jahrzehnte bedeutet. Veränderungen im Grundriss werden kaum angestrebt. Andere Räume für eine andere Pädagogik? Das bleibt meist Wunschtraum.
Die Ausstellung selbst ist ein Erlebnisort, sie ermutigt dazu, die Grenzen des Klassenraums selbst zu definieren. Sie möchte sensibel dafür machen, wie man - oft mit einfachen Mitteln - Raum anders definieren und ihn sich aneignen kann. Möbel aus dem Schulalltag, zu reizvollen Objekten umgebaut, regen die Phantasie an und können spielerisch ausprobiert werden. Am Beispiel der dänischen Hellerup Schule (1999-2002 zuerst unter Einbeziehung aller Betroffen geplant und dann gebaut, darum der lange Zeitraum!) wird das Konzept des offenen Lernraums ohne konventionelle Aneinanderreihung von Räumen und Gängen vorgestellt. In einen der sechseckigen Pavillons (1:1 Modell) kann man sich in einen der zum Konzentrieren zurückziehen.
Wenn es ums Thema Schule geht, fühlen sich alle als Experten, denn jeder war dort. Darum sollte auch jeder diese Ausstellung besuchen, besonders aber Politiker, Direktoren, Lehrer und Schulklassen. Zukunftsweisend könnte es sein, wenn der Präsident des Landesschulrates seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins „Fliegende Klassenzimmer“ einlädt.