Kein Ort mehr, auf dieser Welt
SALZBURG MUSEUM / STEFAN ZWEIGS SCHACHNOVELLE
02/03/17 Das Modell wirkt einladend, mondän, stilvoll. Das Original, das Wiener Grand Hotel „Métropole“, wird es wohl auch gewesen sein - bevor 1938 mit der „Gestapo-Leitstelle Wien“ das Grauen dort Quartier genommen hat. Das Gebäude wurde nach dem Krieg abgerissen. Um das akribisch genaue Modell herum aufgebaut ist die Ausstellung im Salzburg Museum.
Von Heidemarie Klabacher
Beim ersten Schritt ist diese „Welt von Gestern“ noch in Ordnung: Stefan Zweig auf der Terrasse des Café Bazar im angeregten Gespräch. Die Ruhe im Park seiner Villa auf dem Kapuzinerberg. Zweig, der Empfänge gar nicht gemocht und selten besucht hat, in einem alten Wochenschau-Bericht bei Small-Talk und galantem Küssen der Hände von Festspiel-Stars. Schon der zweite Schritt führt in die Dunkelheit: Aufgerollt der üppige Teppich. Die Porträts und Bilder in Kartons verpackt. Ein Foto von der Bücherverbrennung auf dem Salzburger Residenzplatz am 30 April 1938...
Dieses Entree führt hinein in die Ausstellung „Ich gehöre nirgends mehr hin! Stefan Zweigs 'Schachnovelle'. Eine Geschichte aus dem Exil“: Anlässlich des 75. Todestages von Stefan Zweig am 22. Februar widmet sich das Salzburg Museum in Kooperation mit dem Theatermuseum Wien den Exiljahren des Autors - die in Salzburg quasi ihren Anfang genommen haben.
Zweig war Frühjahr 1919 nach Salzburg übersiedelt, erlebte hier seine Welterfolge – aber immer stärker auch die antisemitische Atmosphäre. Schon im Frühjahr 1933, kurz nach Hitlers Machtergreifung, bereitete Zweig seinen Abschied aus Österreich vor. Nach einer Hausdurchsuchung im Februar 1934 verließ er Salzburg und lebte sechseinhalb Jahre in England, Vor 75 Jahren, am 22. Februar 1942, nahm er sich im Exil in Brasilien das Leben.
Einen Tag vor seinem Tod brachte er in Petrópolis noch das das Manuskript seines letzten vollendeten Werks auf die Post: „Die Schachnovelle“. Sie steht im Zentrum der Ausstellung, die von Klemens Renoldner, dem Direktor des Stefan Zweig Centre Salzburg, und dem Künstler und Ausstellungsgestalter Peter Karlhuber entwickelt worden ist.
In der Schachnovelle treffen einander auf einem Passagierschiff (ein Bild dieses Schiffes füllt die Rückwand der Säulenhalle) von New York nach Buenos Aires der Schach-Weltmeister Mirko Czentovic und der Wiener Rechtsanwalt Dr. B. Und dieser Unbekannte besiegt den Großmeister...
Das ist der Rahmen um die Geschichte, in der Dr. B. erzählt, wie er im März 1938 von den Nazis verhaftet, monatelang im ehemaligen Wiener Hotel Métropole eingesperrt und viele Male verhört worden war. Irgendwann hat er aus der Manteltasche eines Wachbeamten ein Schach-Buch entwendet...
Das Modell des „Métropole“ steht wie gesagt im Mittelpunkt der Ausstellung. In mehreren schwarzen und weißen Vitrinen auf Schachbrettboden werden Typoskripte, Erstausgaben und Dokumente der „Schachnovelle“ ebenso gezeigt, wie Ausschnitte aus dem 1960 entstandenen Film „Schachnovelle“ mit Curd Jürgens und Mario Adorf. Über Kopfhörer kann man sich Passagen aus der Novelle anhören. Ein brasilianischer Dokumentarfilm bringt Interviews mit einigen Bekannten aus Stefan Zweigs brasilianischer Zeit. Im Eingangsbereich wird noch einmal der Bezug Stefan Zweigs zu Salzburg erinnert.
Weitere Vitrinen gelten Themen aus der Exilzeit, etwa Zweigs Freundschaft mit Sigmund Freud, seiner Zusammenarbeit mit Richard Strauss, aber auch seinem Einsatz für ein geeintes Europa und jüdische Flüchtlinge. Zahlreiche persönliche Dokumente, vom Reisepass bis zum Abschiedsbrief sind zu sehen. Peter Karlhuber und Klemens Renoldner haben bereits 1992 die Ausstellung „Stefan Zweig – Für ein Europa des Geistes“ im Schüttkasten, sowie weitere Ausstellungen zu Stefan Zweig gemeinsam gestaltet
Die in Salzburg gezeigte Ausstellung „Stefan Zweig – Ich gehöre nirgends mehr hin“ basiert auf der Wiener Zweig-Ausstellung „Abschied von Europa“ von 2014, wurde aber für das Salzburg Museum neu konzipiert und mit zahlreichen hier erstmals gezeigten Dokumenten erweitert. Eine ebenso eindringliche wie anschauliche Ausstellung. Im Modell des „Métropole“ sind Video- und Tondokumente untergebracht: Zu hören und zu sehen sind Rosa Grossmann und Bruno Kreisky, die beide die Folterverhöre der Nazis dort überlebt haben.