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Miss Betty und ihre Liebhaber

WINTERFEST / CIRQUE LE ROUX / THE ELEFANT IN THE ROOM

26/11/15 Eine Person von Porzellan. Mord in den Augen. Unberührbare Femme fatale. Schwer gestört. Die Dame hat Unheil im Sinn. Das Giftflascherl im Ausschnitt bestätigt den ersten Eindruck. Drei Männer liegen ihr zu Füßen oder zerfetzten sie in der Luft. Willkommen im Psycho-Zirkus: Das Winterfest hat am Mittwoch (25.11.) seine Zelte im Volksgarten geöffnet.

Von Heidemarie Klabacher

Psychothriller. Krimi in Schwarz-Weiß. Film Noir. Meisterstück des Suspense. Nouvelle Vague - nur halt nicht auf der Leinwand, sondern auf der Zirkusbühne: Genau das bietet, zum Staunen und Atemanhalten, der „Cirque Le Roux“ mit seiner Produktion „The Elephant in the Room“.

Hitchcock und Chandler, Truffaut und Godard und wahrscheinlich noch ein paar mehr ihres Kalibers geistern in den Seitenkulissen herum und nicken Beifall, staunend und sprachlos, wie das Publikum in den Rängen. Schon die Gesellschaftsszene zu Beginn hat ihre, ganz beiläufig passierenden, akrobatischen Elemente. Nebenan findet jedenfalls ein großes Fest statt. Eine Hochzeit. Man hört Gläserklirren und Festgeräusch schon beim Eintritt ins Theaterzelt und weiterhin fast den ganzen Abend hindurch.

Man fühlt sich eingebunden in das absurde Geschehen in dem feinen altmodischen Raucherzimmer mit seinem Kristall, seiner Seidentapete und seinen „Alten“ Meistern, die ebenso viele Gesichter haben, wie die gefährliche Gastgeberin. Miss Betty.

Und wo bleibt der Elefant? Der ist die ganze Zeit im Raum, so groß, dass man ihn nicht sieht. Die englische Phrase, die der schrägen Produktion ihren schrägen Titel gibt, meint etwas unausgesprochen im Raum Stehendes. Etwas Großes, Dringliches, Offensichtliches. Etwas, an das niemand zu rühren wagt. Nun, hier jedenfalls liegt Mord in der Luft. Gattenmord? Liebhabermord? Doppelmord? Das bleibt einen Abend lang in der Schwebe.

Von der Qualität und Intensität einer großen Stummfilm- oder einer Theater-Szene: Der wahrhaft liebende Gatte entdeckt das Gift im Kelch und senkt in unsäglicher Trauer das Haupt… Wenn der reiche Schnösel den Butler mit seinen eindeutigen und gar nicht subtilen Avancen in Verlegenheit bringt, entwickeln sich hinreißend komische Slapstick-Szenen.

Auch die enigmatische Miss Betty ist durchaus für handfeste Akrobatik zu haben. Die Artistin und hervorragende Schauspielerin Lolita Costet wird nicht zimperlich in die Lüfte geschleudert. Sie wirbelt in vielfachen Schrauben und Salti – im Wortsinn – von Mann zu Mann. Als da sind: Grégory Arsenal, Philip Rosenberg und Yannick Thoma. Erwähnt werden muss endlich die grandiose „Filmmusik“ von der kanadischen Komponistin Alexandra Stréliski, die viel zum Gesamtkunstwerk beiträgt.

Haben sie alle miteinander alte Filme geschaut, „Murder, My Sweet“ etwa, und daraus Ideen für ihre erste gemeinsame Produktion entwickelt? Die wild changierende, aber zunächst doch ganz konkrete, Eifersuchts-, Drei- oder Vierecksgeschichte löst sich, wie im klassischen Film Noir der Vierzigerjahre, auf in einzelne große Traum- oder Halluzinations-Szenen von betörender Eindringlichkeit.

War das „Circensische“ bis dahin eher klug eingesetztes Beiwerk, rückt es nun in einem großen Crescendo den Mittelpunkt: Intensität, Virtuosität und Akrobatik pur. Und das Ganze nimmt sich in seiner sinnlichen Opulenz gerade so ernst, dass auch Witz und Ironie und meisterhafter Slapstick aufblitzen dürfen und Funken sprühen.

„The Elephant in the Room“ – bis 6. Jänner beim Winterfest im Volksgarten
Die weiteren Premieren, alle Termine und Informationen – www.winterfest.at
Bilder: Winterfest/Eva trifft (2) / Francesca Torracchi (1)

 

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