Im Dschungel von Afghanistan
KAMMERSPIELE / DIE LÄCHERLICHE FINSTERNIS
16/11/15 Das Stück „Die lächerliche Finsternis“ von Wolfram Lotz, das seit der Uraufführung im Wiener Akademietheater Furore macht, erzielt auch in Salzburg starken Effekt. Es spielt ein Ensemble aus Studierenden des Mozarteums.
Von Werner Thuswaldner
Anfangs entsteht er Eindruck, dass wir es gleich mit einem zur Jahreszeit passendem Volksstück zu tun haben werden: Ein Schiachpercht – gehörnte Maske, Zottelfell, Glocken um den Bauch – tobt sich auf der kleinen Bühne der Kammerspiele des Landestheaters aus. Es ist wohl ein Schiachpercht, aber wenn er die Maske abnimmt, behauptet er, „ein schwarzer Neger“ namens Ultimo Michael Pussi aus Somalia zu sein. Er hat in seiner Heimat eine akademische Ausbildung zum Piraten genossen. Jetzt steht er vor dem Hamburger Landgericht und muss sich dafür verantworten, gemeinsam mit seinem Freund Tofdau den Frachter MS Taipan gekapert zu haben.
Das Stück „Die lächerliche Finsternis“, geschrieben von dem österreichischen Senkrechtstarter Wolfram Lotz, ist eine bizarre Mixtur aus Wahnwitz, Albernheiten, wunderbarer Komik und bitterem Ernst. Das Stück wird in der einfallsreichen Regie Catja Baumanns und in einem bewusst schrottigen Ambiente von Katja Schindowski gespielt, Auftakt zur künftigen Kooperation zwischen Landestheater und Thomas Bernhard Institut der Universität Mozarteum.
Es beginnt mit einem Monolog, der es in sich hat. Dominik Puhl klärt in dieser Rolle die Richter, indem er die Sprachebenen vom Dialekt zur Hochsprache und wieder zurück wechselt, ausführlich auf. Internationale Flotten haben längst die Fischbestände geplündert, so dass ihm und Tofdau gar nichts anderes übrig geblieben sei als Pirat zu werden.
Dann wird eine Geschichte erzählt, mit der sich Wolfram Lotz an die Erzählung „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad aus dem Jahr 1899 anlehnt. Der Autor berichtete darin von den Auswüchsen des Kolonialismus in Afrika. Lotz suggeriert, dass unsere Vorstellungen bis heute stark vom Überlegenheitswahn des Weißen Mannes geprägt sind, von seiner Unsensibilität und seinem Unverständnis für fremde Kulturen. Francis Coppola hat diesen kritischen Ansatz 1979 auf seinen Vietnam-Film „Apocalypse Now“ angewandt. Lotz knüpft an den Afghanistan-Krieg unserer Zeit an. Bei ihm wird der Hindukusch zu einem Fluss, den Hauptfeldwebel Oliver Pellner von der Bundeswehr, begleitet von dem unter Komplexen leidenden, unterprivilegierten ostdeutschen Unteroffizier Stefan Dorsch, hinauf fahren. Live erzeugte Urwaldgeräusche untermalen die Reise, deren Ziel es ist, Oberstleutnant Deutinger zu finden, der im Auslandseinsatz wahnsinnig geworden ist und deshalb liquidiert werden soll. Rebecca Seidel spielt mit vollem Körpereinsatz das Macho-Gehabe des Oberfeldwebels aus, während Wolf Danny Hormann den gedemütigten Unteroffizier spielt, der überraschende Fähigkeiten zeigt: Er passt sich der exotischen Örtlichkeit an und kann mindestens so gut klettern wie ein Affe.
Es ist eine abwechslungsreiche Fahrt mit seltsamen Begegnungen, etwa mit einem Händler (Niklas Maienschein), der Schlimmes erlebt hat, einem übermütigen Missionar (Sergej Czepurnyi), der seine Klienten wie geistig Minderbemittelte behandelt, und einem italienischen Blauhelmoffizier (Caner Sunar), der den „Eingeborenen“ die richtige Pinkel-Kultur beibringen will. Oberstleutnant Deutinger (Martin Esser) wird schließlich gefunden. Er erweist sich übrigens als kaum wahnsinnger als alle anderen.
Das Ensemble, bestehend aus Studierenden des Mozarteums, bricht die Aufführung gelegentlich ab und gibt sich unangepasst. Salzburger Zustände werden beklagt. Beschämend viele Menschen läsen die „Kronenzeitung“, heißt es unter anderem.