Das kleine Salzburger Welttheater
HINTERGRUND / THEATERORT KOLLEGIENKIRCHE
05/10/15 Diesmal also: „Das Salzburger Spiel vom verlorenen Sohn“. Auf die 1694 und 1707 als Universitätskirche errichtete Salzburger Kollegienkirche haben seit je her Theaterleute geschielt. Legendären Ruf genießt das Mysterienspiel „Das Salzburger große Welttheater“, das Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal hier angesiedelt haben.
Von Reinhard Kriechbaum
Wenn das Salzburger Landestheater jetzt dort „Das Salzburger Spiel vom verlorenen Sohn“ ansiedelt und die drei Aufführungen im Rahmen der Veranstaltung „Offener Himmel“ der Erzdiözese stattfinden, ist das also keine neue Idee. Auch nicht die Kooperation mit der Kirche. Als Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal ihr „Salzburger großes Welttheater“ hier in Szene setzten, gab es eine Bedingung von kirchlicher Seite: Man forderte die Restaurierung des universitären Gotteshauses „in unmittelbarer zeitlicher Verbindung mit der Aufführung“. „Max Reinhardt verzichtete auf sein Honorar und Hugo von Hofmannsthal widmete seine Tantiemen je zur Hälfte der Renovierung und der Festspielhaus-Gemeinde, so dass die Kirchenerneuerung letztlich zu je einem Drittel von Hofmannsthals Tantiemen, Mitteln aus der Festspielhaus-Gemeinde und Staatsgeldern finanziert wurde“, heißt es dazu auf der Homepage der Salzburger Festspiele.
Es dauerte dann erstaunlicherweise Jahrzehnte, bis die Festspiele den Weg dorthin fanden. Ihre Konzerte geistlicher Musik haben sie nämlich in den folgenden Jahrzehnten im Dom und in der Aula der Universität abgehalten. Eine szenische Aufführung gab es erst wieder 1969 mit Emilio de’ Cavalieris „Rappresentazione di Anima e di Corpo“ in der Bearbeitung von Bernhard Paumgartner – einer Art geistlichen Oper, die im Jahre 1600 in Rom uraufgeführt worden war und bei den Kardinälen trotz spektakulärer Inszenierung mit kleinen Tanzeinlagen größten Anklang fand. Bis 1973 hat sich diese von Ernst Märzendorfer dirigierte Aufführung auf dem sommerlichen Spielplan gehalten. In den achtziger Jahren hat man erst mit Händels „Jephta“ (1984–1986) und dann mit dessen „Saul“ (1985) geistliche Opernstoffe in die Kollegienkirche gebracht.
Zu einem handfesten Skandal wurde 1987 George Taboris Interpretation von Franz Schmidts „Das Buch mit sieben Siegeln“. Da gab es eine (ganz kurze) Szene, in der der gekreuzigte Christus nackt da stand. Ein Fernsehbericht, der gerade diese Episode (die Anwesende als sehr stimmig empfunden hatten) ins Zentrum rückte, führte zu Protesten von Gläubigen. Erzbischof Karl Berg war damals ein Getriebener des katholischen Volkszorns, als die Aufführung unmittelbar nach der Premiere abgesetzt und nur noch konzertant dargeboten wurde. Seit den siebziger Jahren wurde die Kollegienkirche für Kirchen- und Chorkonzerte der Salzburger Festspiele genutzt, für „Zeitfluss“ zuerst, für die „Kontinente“-Reihe. Salvatore Sciarrinos Oper „Luci mie traditrici“ in der Regie und im Bühnenbild der bildenden Künstlerin Rebecca Horn war 2008 die letzte nachhaltige szenische Festspielproduktion dort.
Das Zeitgenössische ist nach wie vor hier heimisch, und jeden Sommer werden dafür Einbauten errichtet, um die Akustik in den Griff zu bekommen. Das tat das Landestheater jetzt für den „Verlorenen Sohn“ von Hellmuth Matiasek und Wilfried Hiller natürlich nicht.
Die Spurensuche nach dem „Verlorenen Sohn“ führte Hellmuth Matiasek „bald in die reiche 'Jedermanns-Welt' der altdeutschen Mysterien- und Parabelspiele“, heißt es auf der Homepage des Landestheaters, ein solches vergessenes Fastnachtspiel aus der Feder des Burkard Waldis (1490-1556) habe es ihm angetan. Leider verrät das Programmheft nicht, welche „wieder gefundenen Quellen aus dem XVI. Jahrhundert“ – also ein Jahrhundert später als die mittelalterliche Vorlage – Matiasek sonst noch ausgewertet hat. Ob es bloß wegen dem Uraufführungsort oder wegen einer der Quellen „Das Salzburger Spiel vom verlorenen Sohn“ heißt, haben wir versucht, im Landestheater zu erfragen. Leider wusste das am Tag nach der Uraufführung dort keiner, und der Autor war auch nicht zu erreichen. Mag sein, dass dieses kleine Salzburger Welttheater im Grunde eh allen nur peinlich ist.