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Heim muss man erlebt haben

ODEION / THOMAS BERNHARD

09/04/10 Klaus Martin Heim transzendiert Thomas Bernhards „Einfach kompliziert“ – und kein Salzburger Theater- Feinschmecker sollte ihn sich entgehen lassen.

Von Gerald Schwarz

„Machen Sie mit dem Stück, was Sie wollen“ – mit diesen Worten soll Thomas Bernhard „Einfach kompliziert“ seinem Lieblingsdarsteller Bernhard Minetti zum Achtziger überreicht haben. Da war Bernhard längst Bernhard; andernfalls hätte diese Petitesse wahrscheinlich keinen Abnehmer gefunden und wäre zu einem Großschauspieler wie Minetti nicht einmal in die Garderobe vorgedrungen. Eine perfekte Vorlage sieht anders aus - naturgemäß „bernhardelt“ es auch in „Einfach kompliziert“, aber dem bedauernswerten Protagonisten wird diesmal kein stummer Partner beigesellt (abgesehen von dem kleinen Mädchen mit der Milch im mittleren Bild); nicht einmal eine kohärente Biographie spendiert ihm der Autor, keine gehörige Dosis Auseinandersetzung mit der Welt, und vor allem keine sonatenmäßige Durcharbeitung von sprachlichen Leitmotiven wie sonst.  Wahrscheinlich hat Bernhard den Text ins Diktaphon gesprochen, während er in Ohlsdorf mit dem Traktor umherfuhr…

Mit all diesem soll betont sein, dass es einer unerhörten Kraftanstrengung und autonomen Kunstfertigung bedarf, wenn ein Schauspieler mit diesem Stück ein Publikum in seinen Bann schlagen will. Jene Inszenierung, die Claus Tröger für das Stadttheater Bruneck erarbeitet hat und die seit Donnerstagabend im Odeïon in Mayrwies zu sehen ist, bringt Klaus Martin Heim in der Minetti-Rolle endlich wieder einmal in Salzburg auf die Bühne. Die Wertschätzung, die sich dieser 76jährige Schauspieler seit 1982 hier erarbeitet hat, ist greifbar - und schmerzhaft war darum die Zahl der leeren Stühle am Donnerstag (8.4.).

Man muss Heim hier erlebt haben - die Qualität seines Sprechens, die Spannkraft seines Körpers wie seines Gedächtnisses, von seiner Seele ganz zu schweigen! Hier lässt einer seine Bannkraft spüren, der zeitlebens das Gegenteil eines „Publikumslieblings“ im billigen Sinn war, aber der das Feuer des Theaters durch Triumphe und Bitternisse getragen und damit Licht in manche Nische geworfen hat. Ihr Rezensent gesteht seinen Dissens ein, was viele Details der Aufführung betrifft: in den Strichen im Text, in den Verrichtungen der Hauptfigur,  in der Gestaltung der Bühne, im Umgang mit Requisiten und Kostümteilen (Paradefall: die äußerst gewagte Interpretation der Krone) – sie addieren sich zu dem Eindruck, dass die Regie sich weder für die Trivialisierung noch die symbolhafte Überhöhung dieser Existenz entscheiden konnte  und jetzt in einem Zwischenbereich steckt, meilenweit von beidem entfernt.

Aber (um den Preis der Wiederholung): Heim muss man hier erlebt haben; einige der ergreifendsten Momente hat der hochkomplizierte Schauspieler in seiner Bühnenzeit mit (der im Programmzettel vergessenen) Emilia Braun als Katharina in ihrer unfassbaren Einfachheit oder einfachen Unfassbarkeit, und diese Momente tun weh. Ein rätselhafter Stücktitel und eine lange Schauspielerexistenz werden schlagartig Gegenwart – und werden bald Vergangenheit sein, aber auch nur für jene, die zu den Folgevorstellungen (am 10., 14. und 23. April) wenigstens den Weg ins Odeïon gefunden haben werden.

Weitere Aufführungen: Sa. 10.04., 19.30 Uhr/ Mi. 14.04., 10 Uhr und 19.30 Uhr/ Fr. 23.04., 19.30 Uhr - www.odeion.at.Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. Die Produktion wurde zu den diesjährigen Festwochen Gmunden eingeladen. Premiere in Gmunden ist am 15. August.
Bilder: Stadttheater Bruneck / Odeïon

 

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