Nono:Hinterseer – Null:Null
ARGE KULTUR / MONSTER ZERTRAMPELN HOCHHÄUSER
11/05/15 Viel Action, nicht wenig Witz, einiges Understatement. Als Kultur- und Prolo-Tussis überzeugen Elisabeth Nelhiebel und Bina Blumencron, als Denkerschnösel und Musterprolet Max Pfnür und Jurij Diez. Präzise ist die Regie von Michael Kolnberger. Ausstatter Arthur Zgubic hat auf Armlänge entfernt vom Publikum eine Kampfbahn ausgerollt, die – Paukboden, Planche – ans Fechten erinnert.
Von Heidemarie Klabacher
Wie beim Fechten dürfte es auch hier verhängnisvoll sein, die Kampfbahn seitlich zu übertreten. Jedenfalls tun sie es auch hier nicht, auf diesem schmalen Aufmarschplatz zum Kampf der Kulturen.
Zwei Ehepaare, eins aus der Hoch- und eins aus der Tiefkultur, teilen sich unfreiwillig eine Substandardwohnung in einem desolaten Block in einem heruntergekommenen Arbeiterviertel. Sie trippeln zum Szenenwechsel jeweils im Gänsemarsch hintereinander her, hängen das Bild (die Dart-Zielscheibe) mit dem „Röhrenden Hirsch“ ans jeweils andere Ende und schlichten die wenigen Habseligkeiten akribisch am Rande der Bühne, wie am Rande des Abgrunds.
Wohnungsnot. Immobilienspekulanten. Doppelvermietung. Asylantenhetze sollten die Themen sein im Stück „Monster zertrampeln Hochhäuser“ von Lukas Hollinger. Auf dem Programmwaschzettel (politisch korrekt „gegendert“ mit staunenswerten Wortschöpfungen wie ArbeiterInnen-Wohnblock und KleinbürgerInnenpaar) steht sogar, der Autor habe auf Wunsch des Regisseurs Michael Kolnberger das Thema „Wohnen“ noch stärker herausgearbeitet. In der Koproduktion von theater.direkt und ARGEKultur scheint es darum aber nur ganz am Rande zu gehen.
„Angekommen“ ist bei der Premiere/Uraufführung am Samstag (9.5.) im ARGEstudio ein Kammerspiel zwischen Vertretern zweier Welten, die letztlich doch – Luigi Nono hin, Hansi Hinterseer her – von den selben Dämonen getrieben werden: von Versagen, Einsamkeit und Lebenslügen, von Rissen in den jeweils sorgfältig gekitteten Oberflächen, die immer größer werden.
Mit Gewäsch über György Ligeti laden die einen ihre Geschütze. Die anderen halten mit Hansi Hinterseer und seinem Geständnis „Ich lieb’ die Schönheit meiner Berg“ erfolgreich dagegen.
Bis aus irgendeiner Ritze ein Kind springt. Und das ist wörtlich zu verstehen. Ein behindertes oder vielleicht auch ein hochbegabtes Kind, gefangen gehalten, versteckt jedenfalls von überforderten Eltern.
Damit schlägt das Stück einen weiteren Haken und taumelt – um die Themenkreise Kinderwunsch, Erziehungsversagen, Gewalt und Kindesmissbrauch erweitert – dramaturgisch noch ein wenig haltloser am Abgrund. Aber die Aufführung bleibt packend. Und das ist bewundernswert: Die völlig unmotivierte Volte der Story auch noch in Richtung Kindesmissbrauch (eine Art von Fall Kampusch im Dachboden) wird von den Darstellerinnen und Darstellern, erweitert um die grandiose Christine Winter, virtuos mit geschlagen.