Das Chamäleon lässt die Köpfe rollen
ARGEkultur / JOSEPH FOUCHÉ
09/02/15 Die Köpfe rollen dem Publikum schon entgegen noch während es seine Plätze einnimmt. Die auf der gesamten Bühne verteilten Styroporköpfe sind nur ein Detail der von Petra Schönwald virtuos in Szene gesetzten Bühnenbearbeitung von Stefan Zweigs Biographie „Joseph Fouché“.
Von Alicia Tuchel
Joseph Fouché war einer der mächtigsten Männer Frankreichs zur Zeit der Revolution: „Nie im Rampenlicht und doch immer am Schalthebel der Macht.“ Stefan Zweig hat dessen Biographie 1929 während seiner Jahre in Salzburg geschrieben, als „Versuch die Menschen hinter den Mächten zu erkennen“ und damit „das gefährliche Geheimnis ihrer Macht“.
Simon Ahlborn, der die durchaus nicht leichte Aufgabe hat, das von Zweig in neun Kapiteln virtuos und präzise beschriebene Charakterchamäleon auf die Bühne zu bringen, leistet hervorragende Arbeit. In Anzug und roter Krawatte verkörpert er aber nicht nur den im Hintergrund arbeitenden, dabei keineswegs machtlosen, Politiker äußerst glaubwürdig. Er präsentierte sich bei der Premiere am Freitag (6.2.) in der ARGEkultur auch als Meister der Verwandlung und des raschen Rollenwechsels.
In eineinhalb Stunden Solo wechselt er ständig zwischen Fouché und einigen zentralen Figuren: Für Maximilian Robespierre greift er zu Stift, Schreibunterlage und Brille, für Napoleon zu einem samtroten Kissen, das zum Zweispitz umfunktioniert wird. Dazu spielt Ahlborn virtuos mit der Farben und Registern der Sprechstimme, Mimik und Gestik. Vom leise flüsternden Gerüchte-in-die-Welt-Setzer, die er in diesem Fall direkt in die Ohren des Publikums raunt, bis hin zum flammenden alle und jeden überzeugenden Nationalversammlungsredner, nahm man dem Darsteller auch jede Facette seines „Bürgers Fouché“ ab.
Simon Ahlborn gehört seit der Spielzeit 2012/2013 zum Schauspielhaus Salzburg. „Joseph Fouché. Bildnis eines politischen Menschen“ – so der Titel auch des Originals von Stefan Zweig – ist eine Koproduktion der Regisseurin Petra Schönwald mit der ARGEkultur und dem Stefan Zweig Centre Salzburg.
Die wenigen Utensilien auf der Bühne haben viele Funktionen: Aus einer kleinen und einer großen Bank, den Styroporköpfen, einem rollenden Kleiderständer und einem Stuhl bastelt sich Ahlborn selber den Saal der Nationalversammlung, das Schlachtfeld der aufständischen Stadt Lyon (wo er mit Köpfen Golf spielt, symbolisch für die Hinrichtung der Revolutionsverräter), das Zimmer des Polizeipräsidenten mit seiner Spionagemaschine, ja sogar den Thron Napoleons. Nicht nur für die Personenführung, auch szenisch ist der Regisseurin Petra Schönwald zu dieser kreativen Inszenierung der einzelnen Lebensstationen Joseph Fouchés zu gratulieren.
Auch Christopher Biribauer leistet als Verantwortlicher für Musik und Sounddesign hervorragende Arbeit: Die akustischen Einwürfe aus dem Lautsprecher, zu denen eingespielten Echos, das Getuschel der Menschen in den Versammlungen, Klaviermusik, aber auch direkte Zitate Zweigs zählen, boten interessante Abwechslungen.
„Nur nicht so früh ans Licht. Erst die anderen abnutzen, verbrauchen lassen. Erst wenn die Leidenschaftlichen sich vernichtet haben. Dann beginnt die Zeit für die Abwartenden. Für die Klugen.“ Das Leben Fouchés - des Redners in Paris, des Mörders in Lyon, des Rivalen von Robespierre, des kapitalistischen Geldsaugers, des allwissenden Polizeipräsidenten, des unterwürfigen Dieners Napoleons (der als Cäsar seinen „Antonius“ sehr schätzte), des Kämpfers gegen England, des Herzogs von Otranto, des Verräters, des Atheisten, des Kaltblütigen, des Mächtigen - blieb trotz seiner chamäleonhaften Vielfarbigkeit vor allem ein Leben im Hintergrund. Wie heißt es bei Zweig: „Nur ein dünner Hauch von Erinnerungen steigt auf von seinem Namen und vergeht. Spurlos.“ Nach diesem hervorragenden Theaterprojekt vielleicht doch nicht mehr so spurlos.