Im rabenschwarzen Frauen-Konklave
TOIHAUS / DAS LEBEN IM WANDSCHRANK
13/01/15 „Bernarda Albas Haus“ ist ein eindringliches Theaterstück. Der Plot wirkt sogar, wenn man den Text von Garcia Lorca weglässt. In der jüngsten Toihaus-Produktion „Das Leben im Wandschrank“ wird er durch Aura und Körpersprache ersetzt.
Von Reinhard Kriechbaum
Ganz dann doch nicht. „Fenster zu“, zum Beispiel sagt die imaginäre Bernarda Alba – der in Salzburg lebende Theatermann Arturas Valudskis – mehrmals. Der eine oder andere weitere Satz ist stehen geblieben. Leute, die des Originalstücks kundig sind, werden sich also einigermaßen auskennen.
Bernarda Alba ist Witwe, in durchgeknallter Sittsamkeit hat sie für sich und ihre Töchter eine achtjährige Trauerzeit verordnet. Einzig die Älteste darf (durchs vergitterte Fenster) mit ihrem Verlobten Pepe reden. Die Jüngste ist listiger. Sie trifft sich mit Pepe (der in Wirklichkeit nur an der Ältesten Geld, nicht an ihr als Frau interessiert ist) im Kuhstall.
Bei Garcia Lorca steuert das auf eine Katastrophe hin, in der Paraphrase von Arturas Valudskis zwar ebenfalls, aber ihn und seine Choreographin Katharina Schrott interessieren eher die psychischen Zustandsbeschreibungen. Die seelischen Deformationen in diesem unheiligen, sinnentleerten und nur Konventionen folgenden Frauen-Konklave sind enorm. Viel Gelegenheit, mit Körpersprache zu spielen. Arturas Valudskis, der Bild-Erfinder, und Katharina Schrott, die das Damenensemble bewegt, laut atmen, verklemmt auf Holzsesseln turnen und hysterisch zucken lässt, machen gute fünfzig Minuten schwarzes, rabenschwarzes Theater. Das hat Stil und Suggestivkraft. Alle Achtung vor den körpersprachlichen Fähigkeiten der in schwarze Nonnenkleider verpackten Katharina Schrott, Susanne Lipinski und Gudrun Raber-Plaichinger, die gleichgewichtig interagieren.
Es ist ein Stück auch mit einer wesentlichen Komponente Musik. Jeder der jungen Dame ist ein Instrument zugeordnet. Der jungen Lebenslustigen die Kastagnetten, deen anderen beiden eine Trommel und ein Hackbrett. Die imaginäre Bernarda Alba sitzt im Bühnenhintergrund als graue, pardon schwarze Eminenz am Synthesizer und beobachtet das Treiben der Töchter durch einen Spiegel. Die Musik (ein Teamwork unter Anleitung von Gudrun Raber-Plaichinger) wirkt wie verschnitten zwischen Orff und Morton Feldman. Auch damit erreicht man jedenfalls viel Aura.
Laut Einführungstext will Arturas Valudskis uns einen „skurril-tragisch-komischen“ Theaterabend offerieren. Von Komik ist ganz wenig zu bemerken und vom titelgebenden „Leben im Wandschrank“ schon gar nichts. Am besten wohl, man lässt sich ohne Erwartungen ein auf die Bilder- und Musiksprache. Und gut, eine Reclam-Ausgabe von „Bernarda Albas Haus“ daheim stehen zu haben. Kann nämlich leicht sein, dass einem der Text ja doch abgeht.